Diashow - Ausschnitte Atelier | Künstlerin: Jessika Dirks | Fotos by Saskia Karl
Jessika Dirks
In mir herrscht ein kreativer Schaffensdrang seit ich denken kann! Es gab für mich nie eine andere Option als Künstlerin zu sein (auch wenn sich mein Lebenslauf nicht ganz so stringent präsentiert, mehr dazu gleich).
Es war mir immer klar, ein Künstlerinnendasein leben zu wollen – im Herzen meine ich. Aber in einer Welt, in der Kopf, Normen, kapitalistische und patriarchale Prinzipien sowie falsche Sicherheitsbedürfnisse regieren, entscheidet man nicht immer nach dem Herzen. So auch ich. Aber das werfe ich meinem jungen Selbst nicht (mehr) vor. Genau dieser Weg hat mich zu meinem heutigen Schaffen geführt. Vollzeit Künstlerin bin ich erst seit diesem Sommer und es ist der erfüllendste Lebensabschnitt bisher: nachdem ich zuvor so viel Energie in Brotjobs gelassen habe, entfaltet sie sich jetzt voll und ganz in meinem vielfältigen künstlerischen Schaffen.
Lange Zeit habe ich (trotz meines Kunst-Studiums, in dem das meiste öffentlich entstanden ist) im Verborgenen gemalt. Ich bin meine größte Kritikerin, fand mich nie gut genug. Aber wann immer ich mich in die Sichtbarkeit gezwungen habe, schlug mir eine unerwartete Welle der Wertschätzung entgegen (wenn auch – natürlich – nicht alle etwas mit meiner Kunst anfangen können), die mein Herz tief berührt. Es war und ist Wertschätzung, ein Gesehen-Sein, die/das mir bei meinem – wie ich finde
mutigen – Herausarbeiten aus meinem Kokon geholfen hat. Jetzt flattere ich umher und fühle mich von Menschen getragen, die lieben, was ich tue. Ich könnte nicht dankbarer sein.
Meine digitale Plattform ist definitiv Instagram. Es macht mir Spaß, mit den Möglichkeiten, die diese soziale Plattform bietet, zu spielen und mich auszuprobieren. Aber auch Pinterest steht noch auf meiner Liste. Darüber hinaus natürlich die eigene Website, Newsletter und Blog. Neben der digitalen Welt finde ich es essenziell, dass die Arbeiten live und im realen Raum stattfinden, damit sie erlebt werden können. In Ausstellungen oder bei Atelierbesuchen finden die innigsten Gespräche statt, die oft dazu führen, dass eine meine Arbeiten nicht mehr aus dem Kopf und dann mit in ein neues Zuhause gehen kann.
Die Frage ist, welchen hatte ich noch nicht!? Von Verkäuferin in Modehäusern, über Fastfood-Zubereitung und Tellertaxi, bis hin in die Chefetagen von Agenturen, als Dozentin für Designphilosophie und der Kunstbegabungsförderung und auch der Hochschulkommunikation war ich bereits tätig. Den Master habe ich mir übrigens als Tätowiererin finanziert.
Von überall hab ich Eindrücke mitnehmen können, von welchen ich heute zehren kann. Und sei es nur: »Das mache ich nie wieder!«
Ich bin und war schon immer ein Nachtschattengewächs. Sobald es Abend wird, wirft sich mir die Muse an den Hals. Ich mag es, meinen Tag ritualisiert zu leben. Ich stehe auf, bereite meinen Matcha zu und sitze dann kurz mit mir, um ganz bei mir den Tag zu beginnen – manchmal schreibe ich in meine »Kladde«/Jounal. Ein großes Frühstück ist mir wichtig, mit Haferflocken, Gewürzen und Nüssen. Und dann geht es auch schon los (wenn es für andere schon Mittag ist) und ich beginne mit meiner Arbeit. Ich bediene mich dabei aus einem Aufgaben-/Ideenfundus und mache das, was mir an diesem Tag im Sinne meines Bauchgefühls richtig erscheint.
Am liebsten arbeite ich alleine in meinem Atelier – in meinem Safe-Space. Meine Arbeit ist sehr intim und oft nicht nur technisch, sondern besonders emotional herausfordernd. Außerdem muss ich spontan oder kurzweilig auf meine Utensilien zurückgreifen können, damit kein Impuls, keine Eingebung verloren geht. Daher ist eine Nähe zu meiner Wohnung essenziell. Derzeit hab ich es besonders gut, denn ich konnte mir den Wunsch erfüllen und Wohnen und Arbeiten zusammenzuführen.
Ich male meist mit Acryl auf Leinwand, vielleicht wechsle ich demnächst aber wieder zu Öl. Ich mag zudem Gouache, Pastell und Ölkreiden gern. Zum Zeichnen: Kohle oder Pastellkreiden. Darüber hinaus arbeite ich mit diversen Materialien und Medien: Obst, Sound, Tapete … und schränke mich kein bisschen ein.
Mein künstlerisches Schaffen dreht sich immer wieder um die Themen der weiblichen Selbstwahrnehmung, Körperlichkeit und die gesellschaftliche Prägung von Frauen* durch das Patriarchat. Ein wiederkehrendes Hauptthema ist dabei die Auseinandersetzung mit weiblicher Scham und Selbstobjektivierung – insbesondere, wie diese durch den ‘Inner Male Gaze’
geprägt werden. Meine Arbeiten sind Ausdruck eines tiefen Blickes in das Innenleben und die Gefühlswelt, die zwischen Entfremdung und Selbstermächtigung oszilliert. Oft nutze ich Licht und Schatten, aber auch Mehrschichtigkeiten als gestalterische Elemente. Diese können bedrohlich oder verletzlich wirken. Meine Arbeit fragt nach Transformation oder vielmehr Entbergung, indem sie philosophische Fragen stellt oder Aspekte von und die Möglichkeit einer neuen, selbstbestimmten Identität ans Licht bringen will.
Zugleich benenne ich die Zerbrechlichkeit allen Seins. Diese Themen erscheinen in verschiedenen Formen und Serien immer wieder, weil sie sich als Grundpfeiler einer radikalen Selbstbetrachtung und eines Erkundens von Freiheit und Verletzlichkeit, Frau*- und Menschsein begreifen lassen.
Malerei und raumbezogene Installationen sind meine Steckenpferde. Zudem schreibe ich: Gedichte und Märchen, die ich auch illustriere.
Eine Pause! Druck hilft hier nicht, im Gegenteil. Wenn es mal nicht weitergeht, dann soll es so sein. Dann sind vielleicht gerade Körper- oder Sozialpflege, eine Reise oder einfach mal ganz viel Schlafen dran. Ich bin davon überzeugt, dass wir kreative Wesen sind. Wir können nicht anders als zu gestalten. Deshalb dürfen wir darauf vertrauen, dass es immer wieder zu uns zurückkehrt – das Feuer für die Kunst in uns.
Eine innere Gewissheit, mein Dasein in meiner Arbeit zu wahrheiten/zu erfüllen.
Indem ich die Voraussetzungen erfülle (safer Schaffens-Space, die richtige Musik/Hörspiel/Podcast, viel Tee, Raum, Zeit, Material) und mich dann ohne Erwartung hingebe. Oft kommt er dann, der Flow, manchmal eben nicht. Beides heiße ich willkommen.
Sobald der innere Kritiker krakeelt ists mit dem Flow dahin.
»Wenn Deine Werke ein Gespräch führen könnten – miteinander oder mit dem/der Betrachter*in – was glaubst Du, würden sie sagen?« Wenn meine Werke ein Gespräch führen könnten, würden sie wohl eine Mischung aus Klage und Einladung sein. Sie würden flüstern, schreien, fragen und zuhören – sie würden die Schichten von Scham, Schmerz und Selbstfindung abtragen, wie ich es tue, während ich sie erschaffe. Untereinander würden sie sich gegenseitig Mut zusprechen: ‘Siehst du? Wir
sind nicht allein, unser Schmerz ist geteilt, unser Werden ist kollektiv.’ Zum/ zur Betrachter*in würden sie sagen: ‘Schau hin. Trau dich, die Zerbrechlichkeit und die Stärke zu sehen – in uns und in dir.’ Und vielleicht, ganz leise, würden sie noch hinzufügen: ‘Es gibt Raum jenseits der Scham. Komm mit.’
An dieser Frage knabbere ich schon seit ich über Kunst nachdenken kann. Ich denke, es gibt verschiedene Spektren von Merkmalen. Vielleicht lässt sich das etwa so fassen: Richtig gute Kunst ist technisch herausragend (etwa Anatomie, Farb-Form-Komposition, Materialeinsatz etc.) UND/ODER herausragend mit Bedeutung aufgeladen (politische Statements, offenlegen von Missständen, neue Perspektiven auf vermeintlich Bekanntes o.ä.) UND/ ODER stellt Normen (der Kunst) herausragend auf die Probe oder sprengt sogar ihre Grenzen (man denke an das Urinal von Duchamp). Aber wir sehen schon, diese »Definition« ist äußerst lückenhaft. Vielleicht einigen wir uns vorerst darauf: Kunst hat etwas zu erzählen.
Meine erste Ausstellung war 2012: eine Werkschau während des Studiums im Kunstverein Hildesheim. Anfang 2024 habe ich im Kwartier Nord, Hannover ausgestellt und bis zum Ende des Jahres steht im November Kong, Hannover und artothek Hannover an. Ich freue mich sehr.
Meine Kunst schafft Räume für Reflexion und Dialog über Themen, die oft im Verborgenen bleiben, wie weibliche Scham, Objektifizierung und Selbstermächtigung im patriarchalen Kontext oder die große Frage nach dem Dasein(szweck). Die Werke wirken auf mehreren Ebenen und fordern die Betrachter*innen heraus, sich selbst und gesellschaftliche Normen zu
hinterfragen. Meine Arbeiten können tief berühren, wenn man es zulässt. Sie sind eine echte Oase in einer Welt aus Fake, Filter, AI-Models und groteskem Chaos. Sie sind keine leichte Kost, aber eine liebevolle Umarmung, in welcher
man sich gesehen fühlen kann. Für Sammler*innen und Museen bieten meine Werke nicht nur ästhetische Qualität, sondern auch einen zeitkritischen und sozialen Wert: Sie spiegeln die inneren Kämpfe und zugleich die Widerstandskraft der Frau* wider und berühren damit etwas Universelles. Galerist*innen, die in meine Arbeit investieren, bekommen nicht nur eine einzigartige künstlerische Stimme, sondern auch Werke, die aktuelle gesellschaftliche Themen auf eine Weise verarbeiten, die nachhaltig zum Diskurs anregt und Brücken zur Gesellschaft von heute schlägt. Meine Kunst ist für Menschen, die tiefer gehen wollen, für Sammler*innen, die nicht nur in Kunstobjekte, sondern in einen gesellschaftlichen Dialog investieren möchten.
Nicht weniger, als von Ihr gut leben zu können und andere Menschen im Innersten zu berühren; in den großen Museen der Welt und an den privaten Wänden zu hängen, in welchen Menschen wohnen, die von meinen Werken angerührt, angestoßen sind.
In einer Welt zu leben, in der wir Menschen in Synergie mit all den anderen Tieren, Organismen, Lebensformen sind. In der es nicht nur ermöglicht, sondern selbstverständlich ist, dass jede*r Einzelne ein Geschenk mitbringt, das es zu entfalten gilt.
»Nicht verschlimmbessern!« – also aufzuhören, wenn es gut ist. Und: »Heb alles auf, das Gute und das Schlechte.« Denn manchmal, mit der Zeit wird eine »schlechte« Arbeit gut und immer lernen wir aus dem Prozess.
Ich verehre die Arbeit von Egon Schiele! Seiner Art der Darstellung wohnen gleichermaßen Schmerz und Liebe, Hässlichkeit und Schönheit inne. Was er wohl noch hätte schaffen können, wenn ihm mehr Lebensjahre zugestanden gewesen wären? Außerdem zieht mich die Kunst der zeitgenössischen Malerin Marlene Dumas an. Besonders ihre Arbeiten von 2010 begeistern mich. Aber auch noch viele andere – von heute bis tief ins Mittelalter.
Ich bin besonders produktiv, wenn ich Schmerz verarbeite. Aber besonders neugierig auf neue Techniken und Materialien, wenn es mir gut geht und ich entspannt bin.
Ich muss zugeben, dass ich etwas Furcht davor habe, dass nichts mehr gemalt werden will, wenn ich jemals »austherapiert« sein sollte. Ob das so sein wird? Es bleibt abzuwarten.
Ich bin eine Tausendsassarin und ich liebe das. Weil all die unterschiedlichen Perspektiven auf das Sein und die diversen Varianten diese zum Ausdruck zu bringen so bereichernd für mich (und hoffentlich noch andere) sind! Ich male mit Acryl, Öl, Gouache; ich zeichne mit Aquarellkreide, Kohle; ich baue Installationen; ich gestalte (Ausstellungs-)Räume; ich schreibe Gedichte, Märchen und philosophische Essays und illustriere diese; ich fotografiere; ich vertone Soundinstallationen; ich gebe Workshops zur Identität durch Kunst und Selbsterfahrung … je nach Phase schiebt sich mal das eine, dann das andere in den Vordergrund. Und ich bin immer neugierig darauf, was als nächstes kommt.
Hm … schwierige Frage. Ich glaube, dass jeder Weg so individuell ist, dass es darauf keine generelle Antwort geben kann. Aber ich denke, authentisch den eigenen Weg zu suchen und hartnäckig dran zu bleiben sind mit Sicherheit förderlich.
Absolut jetzt! Und ich hoffe, ich kann das ab sofort für jeden weiteren Tag meines Lebens so sagen: immer jetzt.
Selbstzweifel/Angst. Ich wollte noch mehr Gründe finden, um sie hier zu teilen, aber letztendlich führen alle, die ich gefunden habe, immer darauf zurück: Zweifel daran, gut genug/genug zu sein; Angst den eigenen und anderen Ansprüchen nicht zu genügen; Zweifel daran, ob man selbst oder die eigene Kunst eine Daseinsberechtigung hat; Angst »es nie zu schaffen« (ohne
zu wissen, was das eigentlich bedeuten soll). Und dann lenkt man sich ab (viel fachfremd arbeiten zum Beispiel) und traut
sich immer weniger an die weiße Leinwand heran. Naja, bis dann der innere Drang, Kunst zu schaffen, gewinnt und die Blase platzt. Hoffentlich.
Oha! Nein, die hab ich nicht gezählt. Und: Wo fängt das Werk an, wo hört die Skizze auf?
Oh. Darüber nachgedacht habe ich noch nicht, aber mir wurde zum vergangenen Geburtstag das biografische Buch »Ich hänge im Triolengitter« von der Künstlerin Mary Bauermeister geschenkt und ich habe es sogleich in die Riege meiner Lieblingsbücher aufgenommen. Wenn ich es also schaffen sollte, ein derart inspirierendes Leben zu führen, werde ich es mir überlegen. Ansonsten schreiben natürlich alle meine Arbeiten – ob gemalt oder geschrieben – ihre jeweils eigene Geschichte über mich. Vielleicht lass ich auch sie einfach sprechen und alles andere still.
»Ich hänge im Triolengitter« von Mary Bauermeister
»The meaning of life is to find your gift. The purpose of life is to give it away.«
Pablo Picasso
Island: von der Küste, durch das Inland, an Trollen und Feen vorbei, durch die heißen Quellen, auf den Rücken der Islandpferde bis zum Vulkan!
Hafermilch für Matcha Latte und Cappuccino
Die Freiheit zu haben, sich in Geborgenheit entfalten zu können.
ein fremdes.
eine schonungslose, zugleich poetische Auseinandersetzung mit Körperlichkeit, Scham und Selbstermächtigung, die den Blick auf gesellschaftliche Strukturen und die Intimität der eigenen Wahrnehmung lenkt.
nicht das eigene zu leben.
Bildende Künstlerin
Jahrgang 1987
Bachelor of Arts in
Philosophie und in der Bildenden Kunst, Master of Arts in Gestaltung
Lebt und arbeitet in Hannover
Portraitfotos by:
Saskia Karl