Robert Reschkowski im Studio - Fotos vom Malprozess zur gemalten Serie „Yûgen" - Mit freundlicher Unterstützung by Fotograf Michael Quak. Studio: visualpursuit
Robert Reschkowski
Robert Reschkowski im Studio - Fotos vom Malprozess zur gemalten Serie „Yûgen" - Mit freundlicher Unterstützung by Fotograf Michael Quak. Studio: visualpursuit
Ich bin seit 25 Jahren unterwegs als Consulter für Organisations-und Personalentwicklung und als Business-Coach. Als Kommunikationstrainer habe ich über die Jahre viele Top ManagerInnen in beziehungsorientierter Kommunikation und Führung fit gemacht. Zudem bin ich Lehrcoach und bilde Menschen in meinen Seminaren zum Coach aus. Ich begleite Menschen in Lebenskrisen und Umbrüchen auf ihrem Weg, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Parallel dazu mache ich Kunst und das mittlerweile seit 50 Jahren. Ich habe mit 19 Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie angefangen Kunst zu studieren und die Fächer Kunstwissenschaft, Kunstdidaktik, Kunstpädagogik und Philosophie belegt. Malerei habe ich bei Prof. Ruprecht Geiger und Prof Gotthard Graubner studiert. Ich habe gegen Ende der Siebziger Jahre eine zeitlang sogar als Kunsterzieher,- so hieß das damals-, an dem Gymnasium „Haus Aspel“ in Rees am Niederrhein Kunst unterrichtet. Das Gymnasium war in dem Flügel eines Klosters untergebracht, gelegen in einem idyllischen Park. Es war eine sehr schöne und erfüllende Phase für mich.
Der Bildhauer Prof. Norbert Kricke, der ehemalige Direktor der Kunstakademie Düsseldorf hat mich in den 70er Jahren sehr gefördert und mir als Meisterschüler zu meinem ersten Atelier verholfen. Das war damals 1974 in der alten Kammgarnspinnerei in der Brückenstraße am Düsseldorfer Hafen. Meine Ateliernachbarn waren Günther Uecker, Gerhard Richter, Klaus Rinke und noch ein paar andere. Also ich kenne Gerhard Richter als Ateliernachbarn. Wir haben sogar mal zusammen ausgestellt. Es gab 1986 eine Ausstellung mit dem Titel „Brückenschlag“. Der Galerist Kleinsimlinghaus hatte eine Ausstellung all jener Künstler organisiert, die über die Jahre in der alten Kammgarnspinnerei ein Atelier hatten und künstlerisch dort gearbeitet haben. Zu dieser Ausstellung gab es auch einen sehr schönen Katalog, der heute zu horrenden Preisen antiquarisch gehandelt wird. Jedenfalls Prof. Norbert Kricke, dem ich viel zu verdanken habe, u.a. ein Reisestipendium, hat mir damals ins Gewissen geredet:
„Du kannst in der Kunst mal Geld verdienen und dann wieder keins. „Geld und kein Geld, Erfolg und kein Erfolg korrumpieren genauso. Mache Dich als Künstler unabhängig von solchen Faktoren und geh unbeirrt Deinen Weg. Und eines Tages wirst Du Dich umsehen und erkennen, dass Du Spuren hinterlassen hast in Deiner Kunst“. Ich habe also dann mit 19 Jahren parallel zu meinem Studium in der Firma meines Vaters Vertrieb gelernt. Mein Vater hatte einen Großhandel für Bedarfsartikel für Glas- und Gebäudereinigung. Er hat mich im Verkaufen fit gemacht von der Kaltakquise, über taktische Gesprächsführung, Umgang mit unterschiedlichen Kundentypen und Widerständen bis zu Abschlusstechniken, eben das volle Programm. Ich musste also neben meinem Studium nie Taxi fahren, kellnern oder sonstigen, schlecht dotierten Aushilfsjobs nachgehen. Ich habe in den Semesterferien in ganz Deutschland Kunden besucht und damit immer soviel Geld verdient, dass ich den Rest des Jahres, ohne nebenbei zu arbeiten, Kunst studieren konnte. Durch meine Verkaufserfahrungen und Vertriebskompetenzen habe im meinem Leben immer genug Geld verdienen können. Ich habe also wirklich die Kunst zu meinem Leben gemacht, aber nicht zu meinem vornehmlichen Broterwerb.
Ich wollte mich ganz ohne Zwänge künstlerisch frei ausdrücken, es war und ist für mich eine Weise mit mir und der Welt umzugehen. Kunst ist für mich ein Medium schöpferischer Selbstbegegnung und Entwicklung. Künstlerisches Schaffen erlebe ich als ein essenzielles Lebensmittel der Sinnstiftung. Darüber hinaus interessierte mich an einer „Künstler-Karriere“ weniger das Geldverdienen, vielmehr waren für mich Ruhm, Einfluss und PR relevante Faktoren im Kunstbetrieb. Mich hat immer die „Oberliga“ interessiert, die „Formel Eins“ der Kunst. Etwas zu bewegen in der Top Ebene. Und es haben sich mir auch immer wieder die entsprechenden Karriere-Türen geöffnet. Bei all meinen bisherigen sehr unterschiedlichen Lebens Erfahrungen waren und sind für mich Selbstbestimmung und Autonomie, Freiheit und Hingabe immer die maßgeblichen Leitwerte geblieben. Als mich mein Lehrer Ruprecht Geiger zum Meisterschüler gemacht hat, sagte er zu mir: „Reschkowski, ich habe immer gedacht, sie müssten sich festlegen auf einen bestimmten Stil. Aber ich habe erkannt, dass ihre Eigenart in der Vielgestaltigkeit und Weiterentwicklung liegt. Lassen Sie sich also nie festlegen von Kritikern, Sammlern, Galeristen oder Kuratoren.“ Und als ich 1988 mit Performances anfing, - ich bin ja mehr oder weniger als Performance Künstler bekannt geworden, nicht als Maler, - da habe ich Geiger bei einer Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle getroffen und ihm das erzählt, und er erwiderte. „Gut, das ist genau richtig. Gehen Sie unbeirrt und kompromisslos ihren Weg weiter, wohin er Sie auch führen mag.“ Diese Freiheit habe ich mir immer wieder herausgenommen. Ich hatte ein signifikantes Schlüsselerlebnis, das dafür steht: Paul Maenz, einer der einflussreichen Galeristen der 80er Jahre, der auch die jungen Wilden,- wie beispielsweise die Künstler der „Mühlheimer Freiheit“-, nach vorne gebracht hat, dem habe ich in seiner Galerie meine Arbeiten vorgelegt, nachdem ich aus Südamerika zurückgekommen war. Da hat Maenz gleich zu Anfang, noch bevor er meine Arbeiten eines Blickes gewürdigt hat, angemerkt: „Reschkowski, entweder lassen mich künstlerische Arbeiten kalt, oder ich bekomme eine Gänsehaut und Gänsehaut bekomme ich ganz selten. Er ging meine Ölbilder in Windeseile durch, und verwies dann ganz plötzlich auf ein ganz kleines hochformatiges Bild mit dem Kommentar: „Reschkowski, bei diesem hier kriege ich Gänsehaut. Wenn sie mir also davon bitte 15 Stück in dieser Qualität malen im Format 200 x 240 cm, dann bekommen Sie eine Ausstellung in meiner Galerie.“ Daraufhin habe ich ihm entgegnet, dass ich mich auf den Stil des besagten Bildes nicht festlegen wolle.“ Mit Nachdruck ergänzte er: “Sie können es sich ja noch einmal überlegen.“ Ich überlegte es mir aber nicht mehr.
Anfang der siebziger Jahre kamen de Galeristen in die Düsseldorfer Kunstakademie, um zu sehen, was Kunst ist! Ab 1975 sind dann aber die Kunststudenten in die Galerien gegangen um zu kucken, was Kunst ist. Als ich damals in der Kunstakademie anfing, hat mein Professor Geiger als erstes gesagt, dass eine sehr spannende Zeit angebrochen ist, in der ganz vieles im Umbruch sei. Der Kunstbegriff, die Künstlerrolle und das, was man unter einem guten Kunstwerk versteht, wurden damals in Frage gestellt.
Der Großteil der Düsseldorfer Kunststudenten dieser Phase war nicht vornehmlich daran interessiert, Karriere zu machen im „Betriebssystem Kunst“. Sie wollten Kunst um der Kunst willen machen. Sehr viele sind ganz neue Wege in der Kunst gegangen. Und die Galeristen von damals wollten das einfach nicht verpassen, was in der Szene in und rund um die Kunstakademie passiert ist. Das ist eine ganz andere Galeristen-Generation gewesen, als die, die danach kam. Paul Maenz z.B. kam ja ursprünglich aus der Werbung, so hatte auch der „berühmte“ Saatchi zunächst eine internationale Werbeagentur, bevor er sich ganz der Kunst zuwandte und sich anschickte, Künstler wie Damien Hirst zu featern und mit Kunst das ganz große Geld zu machen auf dem globalen „Kunstmarkt-Spekulations-Parkett“. Viele Galeristen in den 80ern kamen aus der Werbung oder aus der Wirtschaft und hatten ein anderes Selbstverständnis und eine andere Message als noch die Galeristen Granden der sechziger und siebziger Jahre. Die alte „Galeristen Garde“ rekrutierte sich noch überwiegend aus passionierten Kunstsammlern oder Kunsthistorikern, einige waren sogar selber Künstler, wie beispielsweise ursprünglich ein Alfred Schmela,- der unter anderem in Paris auch Malerei studiert hatte, und sich dann als Galerist sehr engagierte, ganz neue künstlerische Positionen vorzustellen und durchzusetzen, wie beispielsweise auch einen Joseph Beuys. Genannt sei auch der spätere „Avantgarde Galerist“ Konrad Lueg (alias Konrad Fischer), der sogar mit Gerhard Richter in einem Möbelhaus unter dem Motto „kapitalistischer Realismus“ eine Performance gemacht hatte.
Es kam ungeheuer viel schwarzes Geld in den Kunsthandel. Galerien wurden plötzlich zu „Geldwaschanlagen“. Jeder meinte plötzlich, er müsse Künstler sein und „jede Arztfrau“ wollte plötzlich Galeristin werden. Da brach etwas völlig um. Es gab eine Schwemme von Kunst. In den 80er begann sich das „Kunst-Betriebs-System“, so wie wir es heute kennen, auszudifferenzieren. Es kam zu einer „Vermählung“ von Kunst, Hochfinanz und Kapital. In den achtziger Jahren fingen dann auch die Banken an, beispielsweise die Deutsche Bank, umfassende Kunstsammlungen aufzubauen nicht nur auf Grund eines Repräsentations-Anliegens, sondern auch als nachhaltige Wertanlage. Damals hat sich etwas Grundlegendes kategorial verändert, wir könnten es auch als Paradigmen-Wechsel bezeichnen. Meines Erachtens trat an die Stelle von Weltdeutung, Sinnstiftung und ästhetisch-existenzielle Bewältigung der Kunst immer mehr eine monetär-spekulative Funktion der „Kunst“.
Um aber auf meine eigene Geschichte zurückzukommen:
Ich war in meinen Anfängen als Künstler sehr erfolgreich und hatte exzellente Kontakte und Optionen. Anfang 1979 begab ich mich dann auf eine Studienreise von Peru nach Mexiko. 3 Monate lang wollte ich mich auf den Pfaden der präkolumbianischen Kulturen bewegen. Ein dreiviertel Jahr vor dem Antritt meiner Reise hatte ich dem Galeristen Rudolf Zwirner, einem Mitbegründer des Kunstmarktes kontaktiert. Er war in der damaligen Kunstszene einer „DER GALERISTEN“ schlechthin. Man sagt übrigens heute seinem Sohn, David Zwirner nach, der in New York seine erste Galerie eröffnet hatte und inzwischen weltweit Dependancen eröffnet, dass er sich anschicke, den global mächtigsten Kunsthändler Larry Gagosian zu überholen. Jedenfalls hatte ich 1978 Davids Vater Rudolf Zwirner "kalt akquiriert", wie es im Vertrieb heißt,- ich rief ihn in Köln spontan an und erzählte ihm, dass ich bei Geiger und Graubner studiert hätte, Meisterschüler wäre, Atelier Nachbar von Gerhard Richter und Günther Uecker sei und ihm gerne meine „Farblicht-Raum“, Aquarelle und Ölbilder zeigen wolle; ich habe damals ja zunächst noch Malerei gemacht. Irgendwo hatte ich bei Zwirner wohl den richtigen Nerv getroffen und er lud mich in seine Galerie nach Köln ein, ihm meine Bilder zu präsentieren. Die persönliche Präsentation meiner Arbeiten kam bei ihm nicht nur gut an, er war sogar sehr angetan. Nach eingehender Betrachtung, Kopf nickend entfuhr ihm ein gehauchtes "sehr begabt was sie da machen". Dann fragte er, was ich denn jetzt vorhabe. Ich erzählte von meinem Plan, 3 Monate durch Lateinamerika zu reisen. Nachdem er eine ganze Weile ganz versonnen auf ein Werk von Gerhard Richter, ein großes Seestück, welches an der Kopfwand des lang gezogenen Galerieraumes hing, geschaut hatte, wendete er sich nach einem irritierenden Schweigen, das eine Ewigkeit zu währen schien, mir wieder zu: „Wenn ich sie jetzt ausstelle und sie gehen auf eine dreimonatige Studienreise, dann machen sie danach ganz andere Bilder, und wie stehe ich dann als Galerist da, der ein kontinuierliches, künstlerisches Schaffen vertreten will! Ich bin davon überzeugt, dass Ihre Reise in Ihnen einen sehr spannenden und tiefgreifenden künstlerischen Umbruch bewirken wird (damit lag Zwirner damals durchaus richtig, aber eben in einem weit umfassenderen Sinn, wie sich noch herausstellen sollte). „Aber ich mache Ihnen ein Angebot. Ich gehe bald für ein Jahr nach New York, um mir dort die Kunstszene anzuschauen. Ich stelle ihnen nach ihrer Studienreise in New York ein Atelier zur Verfügung, wo sie ihre Reiseeindrücke im Anschluss umsetzen können; und dann schauen wir weiter.“ Das war ein exzellentes Karriere-Sprungbrett; und da man auf einem Bein schlecht stehen kann, hatte ich noch einen weiteren Kontakt akquiriert und eine zweite Präsentation meiner Bilder eingefädelt: Ich hatte nach meiner „Zwirner Präsentation“ dann auch noch Dr. Georg Wilhelm Költzsch, dem damaligen Direktor des Saarland Museums die gleichen Arbeiten wie Rudolf Zwirner gezeigt. Költzsch wurde Jahre später Direktor des „Volkwang“ Museums in Essen und verstarb 2005 leider viel zu früh.
Ich sage den Künstlern, die ich auch seit 25 Jahren als Ausgleich zu meinem Business Coachings berate, immer: „Ich kann Euch nicht vermitteln was ihr tun müsst, um Erfolg zu haben. Ich kann Euch allerdings vermitteln, was Ihr tun müsst, um Euren Erfolg nicht systematisch zu verhindern. Ihr könnt aber auch konsequent genau das Gegenteil von dem tun, was ich Euch vermittle, das funktioniert auch, ist aber der schwierigere Weg“. Die weit verbreitete Regel im Kunstbetrieb besagt „wer nicht durch andere vermittelt, selber akquiriert und sich selbst vorstellt, ist „unten durch, verbrannt und wird als „Künstlerprofi“ nicht für voll genommen.“ Ich hielt mich immer gerne an die Ausnahme von Regeln: Selbstbewusst, kackfrech und konsequent kommt auch an! Das funktioniert! Das hat bei mir in der Regel auch geklappt. Mich haben immer viele Leute gefragt, wie ich das geschafft hätte. Ich habe im Vertriebs-Business sowie später im „Betriebssystem-Kunst“ schon sehr früh gelernt, dass ich gleich nach oben gehen muss. Denn auf den Vorstands- und Geschäftsführungsebenen ist man eher entspannt und locker in Bezug auf ein selbstbewusstes, initiativ-proaktives und spontanes Auftreten. In den mittleren Hierarchie Ebenen pflegt man eher die Nase weit oben zu tragen, anstatt mit dieser auf Witterung für Neues, Interessantes und Überraschendes zu gehen.
Dann hat ja die frühe Vertriebstätigkeit sozusagen viel gebracht.
Ja, so öffnete sich für mich dann auch das Tor ins Saarland Museum. Ich habe den damaligen Direktor Dr. Költzsch telefonisch kontaktet, spontan mein Anliegen angetragen, ihm meine Bilder vor Ort im Museum zu zeigen. In unserer persönlichen Begegnung habe ich ihm dann selbstbewusst und entschieden mein Projekt-Vorhaben erläutert: „Der Raum hier, in dem die Wechselausstellungen stattfinden, diesen Raum hier, den hätte ich gern 4 Wochen lang für einen Werkprozess. Ich beabsichtige hier in diesem Raum 6 bis 8 großformatige Farblicht-Räume“ zu malen und in Lasurtechnik und Eitempera die Farbschichten aufzubauen. Ich werde zunächst die Keilrahmen hier für jeden sichtbar montieren, bespannen und grundieren, und dann 4 Wochen lang, jeden Tag malen. Der Prozess wird per Video und fotografisch dokumentiert. Nach 4 Wochen gibt es die Vernissage und dann bauen wir ab. D.h. die Vernissage ist gleichzeitig auch die Finissage. Dr. Kölsch hatte mich um meine Einwilligung gebeten, zu der Präsentation meiner Bilder noch einen ihm befreundeten Kunstsammler hinzu zu ziehen. Und so entspann sich vor meinen Bildern zunächst ein sehr anregender, spezieller Austausch über Kunst, die traditionellen Bildräume Europäischer Malerei, der Moderne und des amerikanischen „Color-Field-Painting“. Ich erzählte als erstes von meinem künstlerischen Werdegang und dann von meiner Austellungs-Intention und meinem diesbezüglichen Konzept, und last not least von meiner geplanten Studienreise und Rudolf Zwirners Einladung nach New York. Der Museumsdirektor Költzsch fragte ohne jegliche Anmerkung zu meinen vorherigen Ausführungen ganz unvermittelt: „Wann sind sie wieder zurück aus New York? Gut, sie haben den Raum für Ihr Projekt.“ D.h. ich hatte also die Zusage für eine Ausstellung im Saarland Museum und die Einladung von Zwirner nach New York noch bevor ich meine dreimonatige Reise antrat. Damit waren sehr verheißungsvolle „Karriereweichen“ gestellt.
Das heißt, wer frech komplette Konzepte mit Lösungen anbietet, macht direkt den glatten Durchmarsch?
Ja, für den, der seine eigene künstlerische Position klar ablesbar zu machen versteht und ein schlüssiges und vor allem ein realisierbar anmutendes Konzept präsentiert, für den erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit um ein Vielfaches. Wobei zu betonen ist, dass ohne den „Schicksalskitt“-Fortune nichts herbei zu zwingen ist, allerdings sollte man schon seine “Schularbeiten“ gemacht haben, um die Gunst der Stunde zu nutzen, wenn sie einen denn ereilt.
Ich begab mich also auf meine für drei Monate beraumte Reise von Peru nach Mexiko. Und in Mexiko kam es dann über mich. Da mir südlich von Peru noch alles unbekannt war, packte mich von Neugier getrieben erneut das Reisefieber und ich beschloss, von Mexiko nicht nach New York zu fliegen, um dort meine Reiseeindrücke um zu setzen. Und so schrieb ich Rudolf Zwirner einen ausführlichen Brief und erklärte, warum ich seine Einladung nicht wahrnehmen wolle. Von Mexiko brach ich dann zu diversen ausgedehnten abenteuerlichen Exkursionen in ganz Südamerika auf, die ich jeweils selbst organisierte. So wurde aus der auf zunächst drei Monate angelegten Studienreise ein Abenteuertrip, der ein ganzes Jahr währte. Ich umsegelte in einer dreiwöchigen Erkundung die Galapagos Inseln mit einer gecharterten Segelyacht. Dann führten mich diverse Exkursionen bis tief ins Amazonas-Gebiet hinein von Ecuador, von Peru und vom brasilianischen Manaus aus. Bei einer sehr großen zehntägigen Tracking-Tour in der weißen Kordillere, dem Callejón de Huaylas im Norden Perus bin ich mit vier Begleitern um den „Huandoy“ gelaufen, dabei hatten wir Steilpässe von 4000 Meter zu passieren. Wir waren vom 3100 Meter hoch gelegenen Huaraz aus gestartet, wo wir uns erst 10 Tage akklimatisieren und uns sowohl auf die dünne Luft einstellten als auch eine Gutwetter Phase abpassen mussten. Wir mieteten vor Ort Ausrüstung und nahmen ausreichend Proviant auf. Als sich das Wetter endlich besserte, brachen wir früh morgens um 05:00 auf, ließen uns auf einem Pickup einige Kilometer weit in das Gebiet zum Ausgangspunkt unserer Tour fahren und starteten im Gänsemarsch. Das war bei weitem einer meiner riskantesten Touren, wir mir erst später bewusst wurde, da wir in diesem Gebiet völlig auf uns selbst gestellt waren, denn da gab es weder Berghütten noch eine Bergwart, die auf Tracking Touristen acht gab und mit Helis intervenierte, wenn jemand überfällig war und vermisst wurde. Schließlich führte mich mein Weg nach Brasilien, wo ich dann von 1980 bis 1984 gelebt habe.
Also 1979 bin ich weggegangen und erst 1984 nach Deutschland zurückgekehrt. Ich habe erst in einem Hotel an der Copacabana gewohnt, mich dann langsam an die Gegebenheiten herangetastet und erfahren wie der „Hase läuft“ und nach welchen Regeln gespielt wird. Es kam in Rio in ganz besonders ausgeprägter Weise auf „Vitamin B“ an, also auf gute Beziehungen, auf das, was wir heute unter Netzwerk verstehen. Und Kontakten war für mich als gelernten Vertriebler eine meiner Kernkompetenzen, und so lernte ich sehr schnell nicht nur interessante Menschen, sondern auch in kürzester Zeit sehr einflussreiche Protagonisten kennen. Unter anderem lernte ich auch einen Deutschen kennen, der sich in Copacabana niederlassen wollte. Mit ihm zusammen war es dann machbar, in Copacabana direkt am Strand eine 140 qm Wohnung, samt eines kleinen Atelierraumes anzumieten. Zudem habe ich dann in der Galerie BONINO Kunstsammler kennengelernt und Professoren von der Kunstakademie Rio de Janeiro, die mir Möglichkeiten eröffneten, Fuß zu fassen. In der ersten Phase habe ich in Rio für ansässige deutsche Geschäftsleute angewandte Geschichten wie Logos und Grafiken entworfen. Und dann ergab sich eher zufällig und Schritt für Schritt ein ganz anderes, sehr lukratives Geschäft. Ich fand mich in einem Handel mit Edelsteinen wieder, für die ich mich immer schon interessiert hatte. Es begann mit der beiläufigen Frage eines Rio Touristen, wo man denn günstig und gut Aquamarine erwerben könne. Und so kam ich auf den Trichter, dass solcherart Vermittlung von sowohl ungefassten als auch gefassten Edelsteinen ein Geschäftsmodell abgeben könne. Und da ich mich gut auskannte und schon durch die Kunstszene exzellente Kontakte zu „Stern“, einem der größten Edelsteinhändler und Juweliere weit über Rio hinaus, bekommen hatte, konnte ich mit der Vermittlung von Kaufinteressenten bei entsprechenden Abschlüssen gute Provisionen erzielen. Daraus entwickelte sich mit der Zeit eben besagter Edelsteinhandel als ich dazu überging von Mineros und Edelsteinschleifern vor Ort in den entsprechenden brasilianischen Fundregionen selber Steine zu erwerben und diese dann Touristen zu sehr günstigen Preisen in Rio anbieten zu können. Damit ließ sich seinerzeit eine Menge Geld verdienen, die finanzielle Existenz war gesichert und so konnte ich mich auch ganz unabhängig meiner künstlerischen Arbeit widmen.
Als ich dann nach Deutschland zurückkam, habe ich meinen Vater gefragt, ob wir nicht zusammen ein Juweliergeschäft eröffnen. Das Geschäft haben wir nach meiner Rückkehr aus Rio 1984 in der Düsseldorfer Altstadt eröffnet und ich führte es mehrere Jahre „hauptberuflich“ als Geschäftsführer. Parallel dazu habe ich 1984 – 1988 weiterhin gemalt und fand eine Galerie, die mich zunächst auch nicht auf einen Stil festlegen wollte wie Paul Maenz 1985. Die besagte Galerie vertrat mich, und präsentierte 1988 auf der Art Basel meine Bilder. Im gleichen Jahr 1988 fing ich mit Performances an. Und das wollte die Galeristin nicht mittragen. Da habe ich die weitere Zusammenarbeit beendet, nahm meine Bilder und habe die Galerie hinter mir gelassen. Die ersten Performances, die ich 1988 gemacht habe, wurden dann sehr autobiografisch. Eine Auseinandersetzung mit und Inszenierungen zum Thema Geld, Ruhm und Macht. Das fing 1988 vor der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf an. Ich begann mich performativ abzuarbeiten an Themen wie Image, Aura, Mode und Geld und gerade Düsseldorf war dafür der prädestinierte Ort für mich. Dabei wurde mein ambivalentes Verhältnis zu dieser Stadt und den besagten Themen ablesbar. Ich ließ mich damals zu meinen Performances Aufsehen erregend in einem Rolls Royce chauffieren. Diese Bilder (zeigt alte Fotografien der Performances) habe ich auch im März 2020 in meiner großen Retrospektive im Kunstverein KLIO in Linz am Rhein gezeigt. Warum Rolls Royce? Dazu eine Geschichte. Beuys war befreundet mit Charles Wilp.
(Anmerkung der Redaktion: Charles Paul Wilp war ein bekannter Werbefachmann, Künstler, Fotograf und Regisseur von Werbefilmen und hat u.a. die legendäre Afri Cola Werbung, in der sich Nonnen im Cola Rausch befinden, die damals einen Skandal auslöste, in den 68ern konzipiert und fotografiert).
Und von Wilp hat Beuys m.E. das Einmaleins von PR und Marketing gelernt. Beuys Markenzeichen waren seine Anglerweste und sein Hut, die auch dazu beitrugen, eine Aura von Bedeutung zu generieren. Dabei pflegte "der Meister" Joseph Beuys standesgemäß in einem Rolls Royce zu fahren. Er hat Kleidung, Habitus und seine Luxuslimousine damals ganz gezielt eingesetzt. Das gehörte alles zu seinem Inszenierungs-Instrumentarium. Joseph Beuys: "Der Rolls Royce ist ein sehr komfortables Fahrzeug und hat für mich eine gewisse skulpturale Qualität". Den Rolls hatte er übrigens im Autohaus Becker, beim Vater von Helmut Becker erworben. Helmut Becker konnte ich übrigens als Sponsor eines Rolls Royce gewinnen. Ich habe mich gezielt des „Beuyschen-Inszenierungs- Strickmusters“ bedient; statt einer Anglerweste wandete ich mich allerdings in ein weißes Dinner Jackett, statt eines Hutes bediente ich mich einer großen Sonnenbrille, um meinen Kopf zu akzentuieren und ich setzte bei allen Performances ganz gezielt eben auch einen Rolls Royce ein, mein damaliger Sponsor Auto Becker stellte ihn mir zur Verfügung wann immer ich das Gefährt einsetzen wollte. Ich ließ mich seinerzeit bei all meinen Aktionen von zwei Modells, gewandet in Lack und Leder, von zwei Bodygards und einem Kamera- und Filmteam, das alles aufnahm, begleiten. Nur dass das irgendetwas mit Beuys Inszenierungsstrategien zu tun haben könnte, haben die Leute damals 1988 nicht kapiert, das ging vielen erst zwanzig Jahre später auf. In dem sogenannten ausgehenden „Lifestyle Jahrzehnt“ der 80er Jahre stand 1988 die erste Phase meiner Performances unter dem „Motto „VON FORMAT SEIN, sich einen Rahmen geben immer wieder ankommen“, es drehte sich für mich um eine Auseinandersetzung mit meiner Geburtsstadt, ich thematisierte die „Klischee Domänen“ Düsseldorfs wie Mode, Marketing, Lifestyle und Werbung. Ich fokussierte das Phänomen Image in einer konsequenten Auseinandersetzung mit dessen Wirkungsfaktoren und Mechanismen. In besonderer Weise interessierte ich mich dafür wie Rituale funktionieren und was diese bewirken können. Das rituelle Gebaren war auch bei Beuys Aktionen ein essenzieller Bestandteil seines künstlerisch performativen Wirkens, mit der er seine Aktionen ganz gezielt „auratisch“ auflud. Und so arbeitete ich aktional eben auch mit ritualisierten Sequenzen. Ich habe mich damals intensiv mit Ritualtheorien und schamanischen Ritualen befasst.
Was heißt das?
In Hinblick auf rituelle Inszenierungsstrategien kann man sehr viel von Schamanen oder auch aus der katholischen Liturgie lernen. Techniken wie Verlangsamung der Bewegungen, artifizielle und stereotype Bewegungsmuster, Wiederholungen, bedeutungsvolle Gesten, symmetrische Anordnungen, Dämpfung der Lautstärke, bedeutsam akzentuierte Gesten, „zeriemonienhaftes“ Gehabe, langandauerndes Schweigen, zeremonielle Kleidung, auratischer Habitus, formelhafte und kryptische Äußerungen, Einsatz von gleich gekleideten „Assistenten“ usw. Mit eben solchen Mitteln kann man Spannung schaffen, Aufmerksamkeit erregen und bannen. In der zweiten Phase meiner künstlerisch performativen Arbeit stand die systematische Auseinandersetzung mit dem „Betriebssystem Kunst“ im Vordergrund. Es gibt ja bis heute das im Kunstbetrieb ungeschriebene Tabu, dass man sich weder einer Galerie noch einem Museum oder einer Kunsthalle samt seiner künstlerischen „Elaborate“ selber vorstellt, das kommt einer Disqualifizierung und „Bedeutungskastration“ gleich. Man hat sich gefälligst empfehlen zu lassen von Kunstsammlern, Kunstkritikern oder bereits mehr oder minder etablierten Künstler Kollegen. Da hat es mich natürlich um so mehr gereizt antizyklisch vorzugehen. Und so habe ich mich nach allen Regeln des „Selbst-Marketing und des Featuring“ empfohlen.
Ich habe mich beispielsweise per Fax bei bedeutenden internationalen Galeristen auf der Art Basel per Fax angekündigt und auch im Vorfeld in einschlägigen Kunstmagazinen Anzeigen mit meinem Konterfei geschaltet und mein Erscheinen avisiert. Dann bin dann auf der Art Basel im Business-Outfit aufgetreten und habe Galeristen mit einer rituell-zeremoniellen Aufwartung bedacht. Von Angesicht zu Angesicht mit dem Galeristen habe ich mir aus meinem Business-Anzug ein Stück Stoff rausgeschnitten und Top-Galeristen wie Hirschl & Adler aus New York, Hans Mayer aus Düsseldorf, oder Beyerler aus der Schweiz etc. zur Signatur vorgelegt. Den Akt habe ich jeweils mit den Worten kommentiert, das signierte Stoffstück und der zerschnittene Anzug sei das Werk, das sie nun maßgeblich akzentuiert hätten. Auf der Art Frankfurt und der Art Cologne habe ich den Vorgang jeweils umgedreht und das aus meinem Anzug heraus geschnittene Stoffstück selber signiert, gleich vor Ort gerahmt und dann den jeweiligen Galeristen wie beispielsweise Carsten Greve oder Walter Storms als Kunstprobe überreicht und dabei darauf verwiesen, dass der zerschnittene Anzug das Werk sei, das im Rahmen einer Installation samt fotografischer Dokumentation ausgestellt werde. Die Installation habe ich dann ein Jahr später parallel zur Art Cologne im „Deutzer Boxclub „Aurora“, die Deutzer Eisenbahnbrücke befindet unweit des Kunstmessen-Areals realisiert unter dem Motto „Erkundungen zu Vincent Van Gogh“, das war auch der Titel der beschriebenen Aktionen auf den Kunstmessen, bei denen es darum ging, im wahrsten Sinne des Wortes, seine Haut zu „Markte zu tragen“.
(Viele spannende s/w-Fotos von den
Performances auf den verschiedenen Kunstmessen und mit namhaften Galeristen der 80er Jahre kann man auf der facebook-Profilseite des Künstlers bestaunen unter: www.facebook.com/robert.reschkowski
Man muss ein unheimliches Selbstwertgefühl voraussetzen, um das zu machen, oder?
Wenn ich zu einem Kunden gehe, muss ich in kürzester Zeit eine Beziehung, eine Verbindung zum Kunden aufbauen, indem ich Spannung und Aufmerksamkeit erzeuge. Das hat weniger mit Selbstwertgefühl zu tun, sondern funktioniert über ein klar konturiertes Rollenprofil und den gezielten Einsatz konventioneller Stereotypen sozialer Interaktion. Wenn ich mit dem Habitus eines Business man auftrete, dann zeitigt das andere Erwartungshaltungen und eine anders geartete Kommunikation, als wenn ich mit einer Mappe unter dem Arm als devoter oder überzogen selbstbewusster Künstler auftrete, dem man sein Anliegen an der Nasenspitze ablesen kann. Und ein solches in meinen Augen „unsouveränes Mappen Gebaren“ habe ich immer tunlichst vermieden. Zudem handelt es sich dabei um den gezielten Einsatz von klassischen Akquise Strategien, innerhalb von kürzester Zeit eine Beziehung aufzubauen.
Wie geht man dann mit Ablehnung um?
Es gibt für mich einen einen handlungsleitenden Leitsatz. Egal was passiert: Ich instrumentalisiere alle Reaktionen meines Gegenübers und die damit verbundenen, unvorhersehbaren kommunikativen Abläufe als mein performatives Gestaltungsmaterial, wie Farbe im Malprozess. Das heißt, ich gestalte die Situation immer souverän, indem ich nicht gegen auftretende Widerständen arbeite, sondern mit ihnen. Ich beziehe den Zufall, das Unvorhersehbare und alle möglichen Reaktionen und Äußerungen meines Gegenübers mit ein in einem vor mir gestalteten performativen Prozess. Ich ziele darauf ab, die Situation autonom und souverän zu gestalten und zu instrumentalisieren in Hinblick auf meine künstlerischen Intentionen, die das formale WIE der Interaktion thematisieren, sowohl durch Affirmation als auch durch eine rituelle Überspitzung aller Handlungsabläufe. Das kann Überraschung, Befremdung, Erstaunen oder Schmunzeln zeitigen aber auch affektive Überreaktionen der involvierten Antagonisten, die dann peinlich berührt sein können nach dem sie ihre Contenance verloren hatten, gerade auch vor den laufenden Kameras, die ich bei meinen Auftritten einsetze.
Wie kann ich diese Aufmerksamkeit von Galeristen noch erregen? Wie funktioniert das?
Das funktioniert über die besagten performativen Inszenierungsstrategien, die ich bereits erwähnt hatte.
Um damit einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Allerdings. Ich bestimme Zeit und Dauer und gestalte bzw. modifiziere das vorgefundene Setting in den jeweiligen Kontexten auf meine sehr signifikant-performative Weise. Ich durchbreche die gewohnten und konventionellen, kommunikativen Interaktionen. Ich mache etwas, was mein Gegenüber nicht erwartet und störe Verhaltens- Wahrnehmungs- und Bewertungs-Routinen. Dazu sind absolute Präsenz und Geistesgegenwärtigkeit erforderlich. Mich interessiert nicht der Inhalt, sondern Form und Choreographie der performativen Inszenierung, sie ergeben den Inhalt meiner Performance.
War das der Grund, über den es dann wieder zu einer Zusammenarbeit mit einem Galeristen kam?
Moment, es ging mir bei meinen Performances nie um eine standardisierte Zusammenarbeit mit einem Galeristen, sondern die Auseinandersetzung mit dem Betriebssystem Kunst und seinen Ritualen. Ich machte die Vermarktungs- Settings lediglich zu meiner Bühne für meine autonomen Inszenierungen, wobei ich gezielt die entsprechend sozialen Code, und einem dem Kontext angemessenen Business Habitus einsetzte, und in der Figur des coolen Geschäftsmanns im Businessoutfit auftrat. Das trug eben dazu bei, dass ich die Grenzen des Gewohnten und Tolerablen überschreiten konnte, wenn ich mir beispielsweise auf Kunstmessen in Basel, Köln und Frankfurt mit der Schere Stücke aus meinem Anzug geschnitten habe und renommierten int. Galeristen zur Signatur vorgelegte oder selbst signiert und als „Kunstprobe“ überreicht habe. Ich fand es sehr spannend, aus einem teuren Business Anzug, der sowohl Erfolg als auch Machtpotenz symbolisiert, also sehr stark energetisch besetzt ist, ein Stück heraus zu schneiden, ihn damit seinem Gebrauchskontext zu entheben und mein Gegenüber, den Träger eben eines solchen „Business-Kostüms“ stutzen zu lassen und in kindliches Erstaunen zu versetzen. In meinen performativen Interventionen habe ich dann auch ganz gezielt ein professionelles Kamerateam, was mich begleitete, eingesetzt. So konnte man subversiv auch in bestimmte Areale vordringen, Grenzen überschreiten und gegen Regeln verstoßen, da sich Niemand getraut hat, vor einer vorlaufenden Kamera, also vor „meinem eigenen mitgebrachten Fernsehen“ restriktiv einzugreifen. Es kamen danach Eventagenturen auf mich zu, die mich gefragt haben, ob ich nicht deren Produkte, Dienstleistungen und Themen mit meinem „rituell-performativem Ansatz“ vermarkten könne mittels meiner sehr wirksamen performativen Inszenierungs-Strategien, die sich in der Event Szene sehr schnell herumgesprochen hatten. Ich habe dann für so manche Events die Inszenierung konzipiert und mich selber in die Realisationen eingebracht. Mein Markenzeichen und USP waren interaktive Rituale mit ausdrucksstarken und spektakulär- ungewöhnlichen Inszenierungen. Damit habe ich dann auch sporadisch sehr viel Geld verdient. Aber angelegt darauf habe ich es nie, obwohl ich damit auch hätte weiterhin kontinuierlich viel Geld verdienen können. Im Vordergrund standen für mich dabei Themen, Produkte oder Dienstleistungen, die mich als Phänomen interessierten, und ob ich damit nach meinem Gusto ganz frei künstlerisch arbeiten kann und will. Ich habe mich im Eventbereich keinen Tabus und Begrenzungen untergeordnet in Hinblick auf die von mir entwickelten Konzeptionen und Realisationen. Allerdings nahm ich mir immer gerne die erforderliche Zeit, um den jeweiligen Auftraggebern für meine Ideen zu gewinnen und davon zu überzeugen, dass die erwünschte Intensität und Aufmerksamkeit für den geplanten Event nicht ohne Risiko zu haben sei. Intensität und Aufmerksamkeit sind die Goldwährung in der Eventbranche, jedoch scheut man jegliches Risiko wie der „Teufel das Weihwasser. Jedoch konnte ich besagte Kunden immer davon überzeugen, dass man eben Risiken professionell kalkulieren könne, und das war eben sowohl an meinen „freien“ als auch an meinen erfolgreichen „Event Performances“ ablesbar, und ich stand dafür. Ich habe übrigens irgendwann aufgehört zwischen sogenannten „angewandten Performances“ und „freien Performances“ zu unterscheiden, das wurde für mich im Laufe meiner performativ-künstlerischen Arbeit eine obsolete Unterscheidung. Das verstehen übrigens bis heute wohl die wenigsten Künstler- Kollegen*Innen. Ein solcher Event war beispielsweise „Szene Rhein Ruhr, Transformation von Kohle und Stahl“ im Jahr 2004. Die versammelte Elite aus Wirtschaft, Kultur und Politik angeführt von der Kanzlerin Angela Merkel und Jürgen Rüttgers, dem damaligen Ministerpräsidenten von NRW hatte sich in der „Zeche Carl“ in Essen eingefunden und ich performte auf der Bühne in der Figur des coolen „Business Man“ vor diesen Herrschaften. Mein Act bestand darin, einem Aktenkoffer in Zeitlupe geheimnisvoll und feierlich Schrott und Kohle zu entnehmen und damit rituell vor einem „Theremin“ zu hantieren. Ein „Theremin“ ist ein Geräusch empfindlicher Stab der wie ein Mikrophon auf einem Stativ fixiert wird, es ist ein elektronisches Instrument und funktioniert wie ein Bewegungsmelder, je nach den Abständen der vorgehaltenen Gegenstände werden Geräusche und Klangmuster generiert. Und damit modulierte ich einen schrillen, fanfarenartigen Abgesang auf Kohle und Stahl. Dabei wurde wie bei einem Popkonzert meine Aktion auf eine große Leinwand über mir übertragen. Ich habe 1987 die artifizielle Rolle eines coolen Businessmannes entwickelt, um sie aktional zu brechen, zu desavouieren und gezielt konterkarieren zu können. Erstmalig setzte ich diese Figur dann bei meiner Performance „Geld-Ruhm-Macht“ in Düsseldorf auf der bühnenartigen Terrassierung vor der Kunstsammlung NRW (K 20) ein. Dem damaligen Direktor und Initiator der Kunstsammlung Prof. Dr. Werner Schmalenbach hatte ich im Vorfeld mein Projekt vorgestellt, er war sehr angetan davon und hat es dann auch ganz offiziell genehmigt. Ich habe parallel zu meiner künstlerischen Arbeit bis 1988 als Geschäftsführer in dem bereits erwähnten Juweliergeschäft mein Geld verdient, das ich 1984 nach meiner Rückkehr aus Rio de Janeiro in der Düsseldorfer Altstadt eröffnet hatte. Zudem habe ich sehr viel Geld damit verdient, dass ich für eine Vertriebsfirma für die damals aufkommenden „Plastikkarten“ im „Scheckkartenformat“, wie sie bereits als Kreditkarten gebräuchlich waren, für den Gebrauch als Kundenkarten, VIP Karten oder Security-Karten Einsatzkonzepte entwickelte. Das war seinerzeit ein ganz neuer und rasant expandierender Markt. Ich habe dann als Freelancer mit der besagten Vertriebsfirma eine Zeit lang, bis es mir zu langweilig wurde, zusammengearbeitet und die von mir entwickelten Konzepte auf großen Messen wie der Industriemesse in Hannover und der späteren Cebit präsentiert und damit sehr große Kunden akquirieren können.
Das klingt jetzt ein bisschen nach einer typischen „Scanner“- Persönlichkeit.
Multibegabte Menschen, die sich nicht auf eine Sache festlegen wollen, wie Barbara Sher in ihren Büchern beschreibt.
Ja, das heißt, ich bin sehr offen und neugierig für ganz unterschiedliche Themen. Ich kann auf ein Thema stoßen und es zündet in mir ein sich selbst tragender schöpferischer Prozess, dem ich mich leidenschaftlich hingebe. In diesem Prozess können sich für mich entweder/und interessante und herausfordernde Business Optionen erschließen oder auch existenziell-ästhetisch relevante Aspekte und potenzielle Ausdrucksgestalten eröffnen, die ich dann in Folge künstlerisch performativ und multimedial umsetze. Meine künstlerischen Arbeiten und auch die diversen sonstigen Aktivitäten werden von drei für mich maßgeblichen Faktoren bestimmt, sie sind mir zu eigen und in meinen unterschiedlichen Werken und Handlungsfeldern virulent und über die Jahrzehnte ablesbar.
1. Konzeptualität; 2. Ausdrucksintensität; 3. Prozessualität.
Sie stellen gewissermaßen bei aller Veränderung eine Kontinuität her in meinen sehr unterschiedlich gearteten Lebensphasen, Aktivitätsfeldern und gerade auch in meinen künstlerischen Hervorbringungen.
„Ich habe mich in meinem Leben immer wieder neu erfunden. Bzw. ich habe eigentlich nur meine Ausdrucksmedien gewechselt und mein Spektrum erweitert, das hat mir nicht nur neue Erfahrungen ermöglicht, sondern auch meine Vorstellungen von Kunst und Leben und sogar mein Selbstverständnis verändert. Mich interessieren heute schöpferische Prozesse per se, ganz gleich in welchen Kontexten und Branchen."
Beuys hat Idee und Konzept einer „sozialen Plastik“ formuliert und konkretisiert. Das Wesen der Menschwerdung ist ein schöpferischer Prozess und das essenzielle Kapital des Menschen ist seine schöpferische Potenz. Wir sind in einen kommunikativen Prozess sozialer Interaktionen eingebunden und jeder von uns kann sein Potenzial im sozialen Ganzen in den jeweiligen Kontexten einbringen und im Medium seiner Wahl selbstbestimmt gestalten in Hinblick auf seinen eigenen Entwicklungsprozess im Rahmen des dreigliedrigen sozialen Ganzen, (Ein Modell der Anthroposophie, das Beuys Wirken sehr beeinflusst hat) ob im Wirtschaftsleben, dem Rechtswesen oder der Geisteswelt. Diese individuelle und kollektive gestaltend-soziale Interaktion ist in meiner Lesart das, worauf Beuys Idee der „Sozialen Plastik" abzielt. In diesem Sinne ist „Jeder Mensch ein Künstler“, wenn er sich in diesen „sozial-plastischen Menschwerdungsprozess“ gestalterisch übend einbringt und zwar Tag für Tag. Und eben dieser Prozess einer gestalterisch- aktiven Selbstwerdung muss gemäß Beuys nicht allein eine „Ausdrucks-Domäne“ von sogenannten „Künstler-Profis“ sein.
„Ich habe meinen eigenen Menschwerdungsprozess mit all seinen Verwerfungen und Traumatisierungen in meinen Performances verarbeitet und umgemünzt in eine künstlerische Veranstaltung.“
So habe ich die divergierenden Aspekte meiner Sozialisierung als autobiographisches Material für meine künstlerisch performative Arbeit genutzt wie einen thematischen „Steinbruch“ und letztendlich obsessiv spektakuläre Initiationsrituale im öffentlichen Raum inszeniert. Irgendwann fiel dann der Groschen, dass ich meinen eigenen Entwicklungs- und Transformations-Prozess nicht mehr als Kunst im öffentlichen Raum inszenieren muss. Ich brauchte das nicht mehr. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt dahin, andere Menschen auf ihrem Weg zu begleiten.
So bist Du zum Coaching gekommen?
Ja, das war der entscheidende Erkenntnismoment, der für mich ganz neue Räume und Perspektiven erschlossen hat. Ich habe mich dann dem NLP zugewendet, alle möglichen Seminarlevel absolviert und schließlich auch noch bei Richard Bandler, einem der Entwickler des NLP, in London ein Trainers Training gemacht. So habe ich im Laufe von drei Jahren alle erforderlichen Zertifikate erlangt als NLP Lehrtrainer, Coach und Lehrcoach. 2002 habe ich dann schließlich mit meiner zweiten Frau die Firma „Syntegron“ für Personal- und Organisations- Entwicklung gegründet, und war sowohl im Mittelstand als auch in Konzernen unterwegs als Coach, Kommunikationstrainer und Berater in Change- Management Prozessen. Zudem begleite ich Menschen in Übergangsprozessen, bei Blockaden und in Lebenskrisen. Unter anderem habe ich auch immer wieder Künstler beraten in Hinblick darauf, sich angemessener zu positionieren und ihr Ranking im Kunstmarkt zu verbessern. Parallel zu diesen Aktivitäten habe ich auch weiterhin künstlerisch gearbeitet. 2003 hat sich dann ein Galerist für meine Arbeiten interessiert und eine Ausstellung für mich eingefädelt. Und so vermittelt erhielt ich eine Einladung für eine große Retrospektive unter dem Motto „Von der Malerei zur Performance“ im Museum Ludwig im Russischen Museum in St Petersburg. Dann hat mein Galerist Teile meiner großen multimedialen Installation und große, gerahmte Fotos meines Performance Projektes „Wegmale-Abschied vom Raum“, das ich in Düsseldorf, Paris, Bonn, London und New York realisiert hatte, auf der Art Fair in Köln ausgestellt. Joseph Kiblitsky, der damalige Leiter des Ludwig Museums im Russischen Museum in St. Petersburg, der für die geplante Retrospektive verantwortlich zeichnete, kam extra nach Köln auf die Art Fair, um meine Retrospektive in St. Petersburg zu besprechen und zu timen. Mein damaliger Galerist sagte sowohl die Finanzierung als auch seine volle logistische Unterstützung zu. Nach St. Petersburg sollte die nächste Station für meine Retrospektive das Museum für Fotographie und Medien in Moskau sein. Des weiteren waren Deutschland und Spanien, New York und London als weitere museale Ausstellungs-Stationen vorgesehen, und auf Grund der vorhandenen Kontakte des int. agierenden Kunstmanagers Joseph Kiblitsky auch realisierbar. Ich habe abgesagt.
Warum? Bereust Du die Entscheidung heute?
Ich hatte 3 Nierensteine innerhalb eines Jahres und der Stress war insgesamt zu viel. Es wäre auch nicht mit dem weiteren Aufbau unserer Coaching-Beratungs-Firma zu synchronisieren gewesen, ich hätte sicherlich einen Burnout riskiert, zudem hätte meine jetzige Frau mit unserer florierenden Firma plötzlich alleine da gestanden, da ich auf Grund solcher anstehenden exorbitanten Kunstprojekte dann weder Zeit für meine Familie noch für meine Coaching-Tätigkeit gehabt hätte. Und last not least erfüllt es mich zutiefst, Menschen als Coach zu begleiten.
Was hast Du stattdessen gemacht?
Ich war also weiterhin als Coach tätig und habe parallel dazu künstlerisch gearbeitet, allerdings so dimensioniert, dass es mit meiner Tätigkeit als Coach kompatibel war. 2011 mit Anfang 60 habe ich unter dem Pseudonym „Brehmberger“ autobiografische Texte verfasst und auf Facebook als „Brehmbergers Erzählungen“ veröffentlicht. Dann habe ich für eine Autobiographie 7 Kapitel konzipiert und für die jeweiligen Kapitel Listen mit inhaltlichen Plots und Stichworten erstellt. Ein konzeptuell-systematisches und strukturiertes Vorgehen ist mir auch beim Schreiben zu eigen, innerhalb eines solchen Rahmens kann ich dann ganz frei und inspiriert loslegen und mich von meinen Erinnerungen an die Hand nehmen lassen, und dann schreibt es sich ganz von alleine. Ich hatte allerdings im Laufe der Jahre mehrere Schreibblockaden, die sich als massiver Unwillen äußerte, meine Autobiographie fertigzustellen, um sie als Buch zu publizieren. 2018 habe ich dann am Schluss einer mehrjährigen Ausbildung in Familien- Organisations- und Strukturaufstellung eine „Tetralema- Aufstellung“ bei Matthias Vargas von Kibéd gemacht und konnte mit Matthias Hilfe meine massiven Schreibblockaden, die seit 2011 meinen Schreibprozess immer wieder behindert und verzögert hatten, endlich auflösen. Das fertige Manuskript des ersten Bandes schickte ich dann zunächst an einschlägige Verlage die mir mitteilten, dass man erst einmal 12-18 Monate zu warten hätte bis es zu einer definitiven Zu- oder Absage kommt. Das hat mir zu lange gedauert. Und Reimund Unger, ein guter Facebook Freund, der selber erfolgreich publiziert riet mir dann zum „Selfpublishing“ mit den Worten: „Du warst doch als Künstler immer autonom, warum willst Du Dich denn nun an einen Verlag binden und Deine Autonomie an ein Verlagslektorat delegieren?“ Das überzeugte mich und ich entschied mich für „Selfpublishing“.
Und dann kommt ja Deine Vertriebsfertigkeit auch wieder zum Zuge in Sachen Vermarktung Deiner Autobiografie
Ja, genau. Meine Autobiographie ist natürlich auch ein Marketinginstrument in Hinblick auf meine Seminare und Coachings, sie erweckt Interesse und Neugier, wie ein Coach selber mit traumatisierenden Erlebnissen, Verwerfungen und Krisen auf seinem Lebensweg umgegangen ist, und eben diese mental und emotional integriert. In meinen ersten Band habe ich mich mit meiner Kindheit, meiner Jugend und meiner Studienzeit an der Düsseldorfer Kunstakademie auseinandergesetzt. Parallel dazu habe ich übrigens ein Werkbuch veröffentlicht, eine Dokumentation meines „Yûgen“-Projektes, das ich von Mai 2019 bis Mai 2020 realisiert habe. In diesem Werkbuch ist ein Bilderzyklus von 118 Aquarellen abgebildet von ganz kleinen Formaten bis zu einer Größe von 246 x 153 cm, die in dem besagten Zeitraum entstanden waren. Mein künstlerischer Weg in fünf Jahrzehnten von 1970 bis 2020 lässt sich unter Titel subsumieren „Von der Malerei zur Performance und wieder zurück“
Damit schließt sich der Kreis.
Genau so ist es. Im Alter von Anfang 60 habe ich mich künstlerisch ganz raus genommen aus der Öffentlichkeit. Ich bin nicht mehr mit Performances aufgetreten, habe keine Ausstellungen mehr gemacht. Aber ich habe natürlich immer weiter gemalt, allerdings war das für mich lediglich ein kontemplativer Akt, und keine intendierte „Kunstproduktion“. Diese Arbeiten habe ich niemanden gezeigt. Und irgendwann im Frühjahr 2019 sagte unsere zehnjährige Tochter Charlotte zur mir: „Papa Du malst so schöne Bilder. Du musst mir versprechen, dass Du wieder ausstellst“. Sie hat es ganz ernst gemeint und ich versprach es ihr. Der Begriff „Yūgen“ kommt aus dem Chinesischen und ist ein zentraler Begriff der klassischen japanischen Ästhetik und bedeutet dunkel, tief mysteriös. Aber „Yūgen“ ist noch viel komplexer, und lässt sich kaum adäquat übersetzen. Wenn ich male, dann schwingt in mir eben die Bedeutungsvielfalt von „Yūgen“, die in der klassischen, japanischen Ästhetik und Kunst ablesbar ist. Die Begegnung mit „Yūgen“ inspirierte mich, wieder verstärkt zu malen und eine neue Ausstellung mit den neu entstandenen Werken zu konzipieren. Ich habe im Oktober 2019 die große Halle der „pursuit Foto- und Medien-Studios“ in Düsseldorf- Heerdt gemietet und mich darin für einen fünftägigen Werkprozess, gleich einem „Meditations-Retreat“ völlig zurückgezogen. Ich habe Zeit und Ort, Malmaterial und Papierformat definiert, (Robert zeigt uns Fotos von den 12 entstandenen Aquarellen dieses Prozesses im Format 246 m x 153 cm, die er als Meditationsfahnen bezeichnet).Wie
Ich habe mir dafür von meinem Schreiner einen passenden Arbeitstisch bauen lassen, auf den ich die Papierrollen mit dem Büttenpapier passend auflegen, und jeweils 12 Formate von 246 x 153 cm abschneiden konnte. Zudem hatte ich mir auch spezielle Gestelle bauen lassen, in die Porzellanschälchen eingelassen waren, so konnte ich die diversen Aquarellfarben aus der Tube in diese Schälchen ausdrücken, und daraus die Farben mit großen nassen Pinseln aufnehmen. Ich habe ein sehr spezielles Setting definiert für einen rituellen Malprozess, das einen zeremoniellen Charakter hatte gleich einer japanischen „Tee Zeremonie“. Dann zog ich mich für eine fünftägige „Malklausur“ zurück, die ich am 12.10.2019 begonnen habe. An drei Tagen habe ich jeweils 2 Papierbahnen mit Aquarellfarbe und Pinseln in meinem Malprozess bearbeitet, am vierten und fünfte Tag sogar jeweils drei Bahnen pro Tag, das hat mich an meine körperlichen und mentalen Grenzen gebracht. Ca 3-4 Stunden habe ich an einer einzigen Papierbahn gearbeitet. Ich arbeitete mit sehr viel Wasser, um das Papier sehr nass zu halten für fließende Farbübergänge. Und so hatte ich gegen Ende des Malprozesses das Papier wieder trocken zu föhnen. Dieser Föhnprozess war auch ein inhärenter Bestandteil des Gestaltungsprozesses, ich nutze dabei den Föhn, um die noch nasse Farben in einander zu vertreiben und sogar mit dem starken Luftstrom filigrane Lineamente zu „zeichnen“. Am Nachmittag des dritten Tags zum 6. Bild hat dann die Musikerin und Komponistin Dorothea Hahne mit ihrem Alphorn mit meinem Malprozess zwei Stunden lang interagiert. Dazu gibt es auch ein achtminütiges Video.
Der Kameramann Reimund Meincke, der seit dreißig Jahren alle meine Performances mit seiner Kamera begleitete, hat den gesamten Malprozess mit seiner Kamera festgehalten und in einer wunderbaren „Postproduction“ verdichtet. Das Video wird ergänzt durch eine Einführung des Kunstkritikers und Künstlers Jürgen Raab, der mich bzw. meinen künstlerischen Weg seit 30 Jahren begleitet. Hier (zeigt mir das Video) sieht man jetzt alle 12 Werke mit der Einführung von Jürgen Raab. Das achtminütige Video zeigt mit dem Kunstgriff des Zeitraffers sowohl den gesamten fünftägigen Malprozess, als auch den Aufbau der freihängenden „Meditationsfahnen“ für einen Preview in der Halle der „pursuit- Foto und Medienstudios“, in der ich die fünf Tage gearbeitet hatte. Der Preview fand am 23. November 2019 statt, ich hatte dazu ganz unterschiedliche Menschen aus meinem Netzwerk eingeladen. Auch dieser „Preview Event“ wurde Bestandteil des Videos, das die verschiedenen Dimensionen meines „Yûgen“-Projektes und den von mir intendierten Prozesscharakter meiner Arbeit ablesbar macht. Vor dem Malprozess, zudem ich mich jeweils mit japanischer Meditationsmusik eingestimmt hatte, gab es übrigens eine Vereinbarung mit mir selbst, die jeweiligen 12 bildnerischen Resultate zu akzeptieren, egal was dabei herauskommt. Es gab also für ein vermeintlich malerisch „missglücktes Ergebnis“ keinen zweiten Versuch.
Hast Du Dir dann einen festen Zeitrahmen pro Bild gesetzt?
Die zwölf geplanten Formate musste ich also innerhalb von fünf Tagen von Mittwoch bis einschließlich Sonntag bewältigen, mehr Zeit war nicht möglich, das die Halle dann wieder anderweitig belegt war. Das bedeutete für mich, in den ersten drei Tagen musste ich jeweils zwei Aquarelle schaffen und am vierten und fünften Tag jeweils drei Stück. Das hatte ich fest mit mir vereinbart. Ich hätte durchaus 24 Stunden durcharbeiten können. Aber nach 2 Arbeiten am Tag musst Du schon deine letzten Kräfte mobilisieren. Für die jeweils 3. Arbeit am vierten und fünften Tag ging ich dann 2 x sogar über meine körperlichen, mentalen und emotionalen Kräfte, es war schon eine extreme Grenzerfahrung der Selbstbegegnung. Einerseits handelte es sich um einen offenen meditativ-kontemplativen Malakt, der aber andererseits in einem konzeptuell streng gefassten Rahmen (Zeit, Ort, Werkanzahl) eingebettet war. Ich beobachtete, was an Gedanken während dieser Arbeit an den Papierbahnen auftaucht und welche inneren Stimmen sich melden, um mein Tun zu beeinflussen. Das Interessante ist übrigens die Erfahrung, dass, auch auch wenn Du als Maler über Jahre keiner kontinuierlichen Malpraxis mehr nachgehst, abgesehen von gelegentlichem Aquarellieren, Du Dich dennoch ästhetisch weiterentwickelst, es malt in einem weiter. Nun zu den besagten inneren Stimmen, sie tauchten in mir wie bedrängende „Einflüsterer“ auf: „Das ist ne schöne malerische Stelle, lass die mal so stehen“; und dann hab’ ich zu mir gesagt: „Nein, das muss ich wegmachen, das muss „herber“ werden.“ Auf diese Weise entwickelte sich ein sehr spannender und aufschlussreicher innerer Dialog mit ganz unterschiedlichen, inneren Persönlichkeitsanteilen, mit denen ich ins Gespräch kam. Ein Hin und her von Anweisungen wie; „Mach es weg, oder lass es stehen“. Es war eine Mischung aus einer potenziell- virulenten Zielorientierung, einem innerlich- imaginiertem, virtuellen Betrachter entweder gefallen zu müssen, oder zu riskieren sein Missfallen zu erregen durch das Gemalte. Meine strategische Antwort bestand darin, das meinem „inneren Bewerter“ vermeintlich malerisch raffiniert Gelungene zu überarbeiten, und das dem inneren Bewerter vermeintlich zu Schöne und Gefällige, oder auch zu Grobe und Misslungene stehen zu lassen. Die resultierenden Ergebnisse haben mich nach dem gesamten Prozess in ihrer Stimmigkeit und in ihrer Ausdrucks-Intensität mehr als überrascht. Der Prozess selber hatte jenseits eines künstlerisch- intellektuellen Kalküls seine ganz eigene „Gestaltungs- und Prozess-Logik“ entfalten können, da ich mich diesem immer wieder hingegeben habe und riskierte selbstvergessen in solcherart performativem Akt aufzugehen, der bestimmt wird von Volativität, Unbestimmtheit, Offenheit, Komplexität, Widersprüchen und Ambiguität. Auf einen derartigen, nicht linear steuerbaren Prozess, hatte ich es in der Tat angelegt. Und Aquarellfarbe ist dazu ein hervorragendes immer wieder unberechenbares Medium, je nasser Du arbeitest. Du musst Dich auf die fließende Farbe ganz einlassen und Dich in das schnelle, malerische Geschehen auf dem Büttenpapier ganz schnell einfühlen, um es intuitiv moderieren zu können. Dieses Vorgehen entspricht übrigens im Business einer Führung zweiter Ordnung und macht bei komplexen Feedbackschleifen eine lineare Führung im Sinne eines einfachen Ursache-Wirkungsverhältnis obsolet. In komplexen und volativen Prozessen, wie ich sie oben beim Malprozess beschrieben habe, gibt es keinen steuernden und außenstehenden Beobachter mehr. Es gibt nur noch Teilnehmer, die selber als Wirkungsfaktoren zu interagierenden Bestandteilen des Prozesses werden und die Ergebnisse, die dabei gezeitigt werden, sind als vorab definierte Ziele nicht mehr antizipierbar. Das entspricht dem, was als Kybernetik zweiter Ordnung verstanden wird, denn Menschen, sind eben keine trivialen Maschinen (die Kybernetik erster Ordnung ist eben nur relevant für mechanische Systeme wie Maschinen und nicht für lebende Systeme.) Und ein großes, nasses Stück Papier mit flüchtiger Aquarellfarbe wird eben nicht nur von den unterschiedlichen divergierenden bewussten und unbewussten Absichten eines Malers bestimmt, sondern auch von den sich verändernden Faktoren, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Wassertemperatur, Säuregehalt und last not least Härtegrad des Wassers und der Beschaffenheit der eingesetzten ganz unterschiedlichen Pinsel, abgesehen von der schwankenden körperlichen, emotionalen Verfassung des Malakteurs. Und gerade, wenn man bei einem Bild wähnt zu scheitern und den Prozess dennoch weiter durchsteht, dann vermag sich eine malerische Qualität und Schönheit einer anderen Dimension zu offenbaren.
Ja, und jetzt kommt noch Deine Autobiografie dazu.
Ja, ich hoffe, ich bin nicht zu sehr abgewichen in diesem Gespräch (lacht). (Ich lache auch).
Robert zeigt mir weitere Arbeiten.
Und diese Arbeiten findet man heute wo?
Ich habe einige verkauft, einige habe ich selbst behalten und einige werde ich mir für Ausstellungen wieder ausleihen.
Es ist interessant, dass je nachdem an welchem Ort man sich befindet, man auch anders malt.
Ja, der Ort beeinflusst einen, und sogar die Präsentationsorte, auf die man allein schon mit einer Formatwahl in seiner Malerei abzielt, spielen oft eine unbewusste Rolle. Ich male keine Bilder für Galerien, Wohnzimmer oder Museen. Meine Bilder haben einen instrumentellen Charakter, sie dienen als „Meditationsobjekte“, und meine großen Aquarelle bezeichne ich sogar als Meditationsfahnen, für die ich Kontexte aussuche, die es mir ermöglichen, ein meditatives Enviroment zu kreieren. Es geht mir dabei nicht um die Produktion von einer Vielzahl „autonomer Kunstwerke“, sondern vielmehr darum, eine spirituell-transformative Erfahrung zu ermöglichen. Zum Thema Werkbegriff sei angemerkt: Gemäß meiner Erkenntnis und der daraus resultierenden Konsequenz ist es m. E. absurd und wird obsolet in einer begrenzten Welt, mit begrenzten Ressourcen für die Ewigkeit maßlos Werke zu materialisieren. Die großen Museen sind „Endlagerstätten. Der materielle Werkbegriff der europäischen Kunst unter dem Motto “vita brevis ars aeterna“ nutzt unser ästhetisch schöpferisches Vermögen, einen materielle Werkfülle zu zeitigen und anzuhäufen, die alle Magazine immer mehr verstopft. Und eben dieser Werkbegriff stand m.E. einem Produktbegriff Pate, der auf den Müllhalden dieser Welt ablesbar wird. Die kapitalistische Wirtschafts- und Weltordnung ist auf Konkurrenz und Akkumulation angelegt und basiert darauf, ganz gleich ob es sich um materielle Güter oder Geld, Ruhm, Macht, Wissen oder Prestige handelt. Als ich mich mit diesem Themenkomplex befasste hinterfragte ich auch den Kunst- und Werkbegriff als auch die gesellschaftliche Rolle des Künstlers und seine gesellschaftlichen Funktionen. Und da wurden für mich dann Beuys Ideen und Konzepte wie die „soziale Plastik" relevant und inspirierend. Solche Reflexionen zeitigten dann 1987/88 meinen Einstieg in eine künstlerisch performative Arbeit, das „ästhetisch-performative Ereignis“ wurde für mich zu einem nicht materiellen Werk, auf das ich abzielte. Mit diesem neuen Werkbegriff „Ereignis als Werk“ war ich dann konsequent bei einer „Prozess orientierten“ künstlerischen Ausrichtung gelandet, die heute eben auch für meine malerische Bildnerei relevant ist, wie ich weiter oben ausführlich beschrieben habe.
„Kurze Fragen – kurze Antworten“ sind hier noch ein paar persönliche Fragen mit der Bitte um kurze Antworten:
Dein aktuelles Lieblingsbuch?
Das „PSI-Modell“ von Julius Kuhl, ein Standardwerk der Motivations- und Persönlichkeits-Psychologie von 1300 Seiten und als Alternative: Der erste Band meiner Autobiografie (lacht).
„Jeder Jeck is anders“.
In den Ort „Langweiler“ im Hunsrück, wo ich mich mit meiner Familie immer wieder in ein Klosterhotel zurückziehe, um Abstand zu gewinnen. Dort finde ich Muße und Inspiration, zum Schreiben genauso wie auf Mallorca, wo wir jeweils im Sommer Urlaub machen.
Sich Zeit zu nehmen für Müßiggang.
Undenkbar ohne Kunst.
Medium der Begegnung und Verwandlung. Kunst ist meine Strategie zu überleben und mein Leben zu gestalten.
Nö. Mein Leben ist nicht zu kurz. Ich habe immer alles gemacht, was ich machen wollte. Zumindest in dieser Inkarnation. Das Leben ist für mich sehr kurzweilig und spannend auch und gerade mit 69. Ich werde immer neugieriger, je älter ich werde.
Frage: Wie gehen Sie eigentlich mit Ihrem Misserfolgen und Niederlagen um?
Ich reibe mich daran, immer wieder. Und bei allem Schmerz, allem Leiden und den traumatischen Erfahrungen, die ich gemacht habe, sie dennoch zu nutzen, sie anzunehmen, und mein Bewusstsein weiter zu entwickeln und über alle Hemmnisse hinaus zu wachsen, denn ich habe all diese überlebt und bin durch sie stärker geworden. Ich handle nach der Devise: „Wahrnehmen was ist, respektieren was ist und gestalten was ist, dann beginnen, wo ich gerade stehe, nutzen, was ich habe, das tun, was ich kann und mich dabei immer auf den nächsten Schritt zu konzentrieren. Um auf diese Weise weiter zu wachsen. Auf meinem Entwicklungsweg orientiere ich mich dabei an der buddhistischen Handlungsmaxime und befleißige mich darin, angstfrei und voller Freude zum Wohle aller Wesen zu handeln.
Wenn man auf die Fresse fliegt, immer wieder aufzustehen. Und was man von den ganz Großen lernen kann: Dankbarkeit und Demut und dass sie als Erfolgreiche bereit sind, der Gesellschaft wieder etwas zurückgeben und andere Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Aber es gibt auch so kleine Erfolge. Man sitzt in der U-Bahn und lächelt Jemanden an und bekommt ein Lächeln zurück. Das sind so ganz essentielle beglückende alltägliche Erfolge. Ich habe immer einen besonders großen Aufwand betrieben bei meinen Projekten. Aber nicht um des Aufwandes Willen, sondern weil ich immer Fülle orientiert war und mich nie von einem vermeintlichen Mangel habe einschränken lassen. Ich habe solange nicht geruht, bis ich mir die Mittel verschafft hatte, die mir vorschwebten. Bei Performances war es z.B. nie so, dass ich mir vorher etwas bewusst ausgedacht habe, die Ideen fliegen mich einfach so an. Und das ist dann immer eine Art „Déjà Vue“-Erlebnis, welche mir die innere Gewissheit vermittelt, dass ich es machen muss und es auch funktioniert, selbst, wenn es sehr gewagt ist. Und dann verfolgt es mich und ich bin innerlich getrieben. Ich muss es dann realisieren, um es loszuwerden. Diese Art der Obsession ist eben auch nicht immer toll. Es ist manchmal quälend. Und solcherart Ideen überfallen mich sehr oft, wenn ich unter der Dusche stehe. Und ich erlebe und fühle dann die Idee für eine Performance so als wenn das Ereignis bereits stattgefunden hätte. Und wenn ich dann genau das realisiere, was ich bereits gespürt habe, also meine Vision real wird, dann macht es Klick in mir und ich erlebe bei der Umsetzung eine traumwandlerische Sicherheit, die meine performativen Mitstreiter der diversen Projekte immer wieder verblüfft hat, wenn ich Dinge riskierte, die sich andere nicht getraut haben.
Ja, und das, was ich jeweils realisiert habe, ist sehr nachhaltig. Was ich da in den Raum stelle ist und bleibt sehr präsent in mir. Es ist ein Gefühl, dass da etwas in mir zur notwendigen Erfüllung gekommen ist.
Ich bin immer gerade das, was ich jeweils tue. Es gibt einfach keine Schublade für mich. Ich habe mit 7 Frauen zusammengelebt. Und sechs von ihnen bis auf meine jetzige Frau wollten mich immer definieren, entweder als Geschäftsmann, als Intellektuellen, als Maler, oder als Performance-Künstler. Diese Selbstdefinitionen sind für mich alle obsolet. Eine geraume Zeit habe ich dann meine eigentliche Berufung als Menschenbegleiter und Coach verstanden. Bis ich erkannt habe, dass auch das eine Form der Selbstbeschränkung ist!
Heute gilt für mich; ich bin das, was ich tue!
Durchaus nicht, denn ohne Dampf geht es nicht voran mit Vorhaben, sie bleiben „Rohrkrepierer“ und „Pustekuchen“. Sogar schon im Kindergarten hat man mich „Den fliegenden Robert“ und auch „Zappelphilipp“ genannt.
Ich bin jemand, der immer alles, was immer er auch macht, mit leidenschaftlicher Hingabe und höchster Intensität realisiert, und diese darf man von mir in meinen unterschiedlichen Handlungsfeldern erwarten, respektive, man muss damit immer wieder rechnen.
Zu etwas ja sagen, bedeutet eben auch immer zu etwas Anderem nein zu sagen. Es kommt eben darauf an, zu dem, was einem wirklich am Herzen liegt voll und ganz ja zu sagen und es mit ganzem Einsatz zu verwirklichen, anstatt zu vielen Dingen nur halbherzig ja zu sagen und sich dann noch darüber zu wundern, dass so etwas nicht erfüllt. Wobei ich halt so gestrickt bin, dass mir eine ganze Menge am Herzen liegt und ich die Power mitbekommen habe so viel Unterschiedliches auch realisieren zu können. Ich interessiere mich für sehr viele Themen, lese sehr viel und habe eine ziemlich umfassende Arbeitsbibliothek. Nicht so eine große Bibliothek wie Umberto Eco. Er hatte ja zeitlebens so eine riesige Bibliothek mit 25 Tausend Büchern.
Gelesen haben konnte er sie alle wohl kaum, aber der Sinn für ihn war dahinter, dass ihm täglich gegenwärtig wurde, wofür er sich alles interessierte und was er machen will; so äußerte er sich einmal in einem Interview zu seiner Bibliothek. So sind auch für mich meine Bücher ein geistiger Raum, der mich umgibt, inspiriert und herausfordert
Das ganze Leben ist eine Krise in Form einer wiederkehrenden Zuspitzung, einer Entscheidung, eines Wendepunktes, wenn wir uns die Bedeutungen dieses aus dem Griechischen abgeleiteten Begriffes vergegenwärtigen. Und auch eine Schaffenskrise können wir nutzen für unsere Entwicklung und Selbstentfaltung. Im Rückblick aus heutiger Sicht haben mich meine Krisen herausgefordert, mein Potenzial aktiviert und mich weitergebracht, sie haben bewirkt meinen Arsch zu bewegen. Und wenn wir von den sogenannten schöpferischen „Schaffenskrisen“ sprechen sei dazu angemerkt: 97% sind Arbeit, 3% Inspiration und von den 97% Arbeit, sind 50% einfach still halten vor der Arbeit, anschauen, und reflektieren, was da eigentlich durch dich entstanden ist und was das Bild, oder das Projekt noch braucht. Davon nehme ich natürlich Schaffenskrisen und Blockaden aus, die durch Traumatisierungen bedingt sind.
Meine Neugierde und die Energie, die ich habe. Ich habe so eine Kraft mitbekommen, die andere nicht haben und daraus ergibt sich für mich eine Art innerer Verpflichtung damit etwas zu machen.
Die Frage wie kommst Du in den Flow stellt sich für mich nicht, sondern eher die Frage, wie komme ich da wieder raus? Der Flow-Prozess, der nimmt mich extrem mit. Heute weiß ich, wie ich wieder aus der Nummer rauskomme.
Ich nutze ein ganz einfaches buddhistisches Mantra, das hilft mir wieder aus der Flow Dynamik raus zu kommen und wieder ganz „leer“ zu werden.
Was eigentlich gar nicht Frage war, aber es ist interessant das mal anders herum zu sehen.
Also noch mal zu Deiner Frage wie ich in den Flow komme; in tue einfach immer genau das, was mir am Herzen liegt, Ich handle also aus einer intrinsischen Motivation heraus und tue Dinge um ihrer selbst Willen und nicht in Hinblick auf Anerkennung und Belohnung. So kommt der Flow ganz von alleine. Das hat der amerikanische Psychologe und Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Flow, das Geheimnis des Glücks“ sehr ausführlich beschrieben. Und aus der sehr vereinnahmenden „Flow-Nummer“ komme ich raus, indem ich mich einer anderen „Nummer“ wie etwa Müßiggang widme. Ich gehe beispielsweise in ein Café und lasse die Leute um mich herumlaufen und kucke „Löcher in die Luft" bei einem doppelten Espresso Macchiato. Heute bin ich gut geerdet und genieße wie ein Zuschauer den Wechsel meiner Aktivitäten. Zudem erdet mich meine Familie. Ich brauche auch so einen strukturellen Rahmen, manchmal ganz handfeste Bedingungen, alltägliche Rituale und Kontinuität, wie beispielsweise immer dieselben Urlaubsorte. Früher brauchte ich permanent Abwechslung und Stimulation, das hat sich sehr geändert. Heute ist für mich ein störungsfreies und gewohntes Setting vorrangig, eine Ritualisierung von täglichen Abläufen, das erdet mich auch.
Ich stehe um kurz vor 6 Uhr auf und mache mir einen „Expresso Macchiato“ und lese etwas. Danach mache ich etwas Gymnastik und trainiere mit Hanteln. Meine Frau steht etwas später auf als ich, bereitet sich auf ihren Job vor und verlässt um 07:15 das Haus. Ich kümmere mich um unsere Tochter, die dann um 07:30 das Haus verlässt und selber mit ihrem Fahrrad in die Schule fährt. Sobald unsere Haushälterin, die wir uns neuerdings mehrmals wöchentlich leisten, eingetroffen ist, fahre ich dann in ein Bistro in der Nähe unserer Geschäftsräume und trinke einen weiteren „Espresso Macchiato“. Dann geht es in mein Büro und zu unserem Coaching Raum hier auf der Berliner Allee. Ich konzentriere mich auf die erste Coaching Sitzung des Tages, indem ich die letzten Coaching Protokolle durchlese. Mittags fahre ich kurz nach Hause, und kümmere mich um unsere Tochter, die aus der Schule kommt. Dann geht es am frühen Nachmittag zurück für die nächsten Coaching Sitzungen, die sehr oft bis in den Abend reichen. Abends gehe ich gegen 21 Uhr ins Bett; ich schaue so gut wie gar kein Fernsehen. So gesehen habe ich einen sehr strukturierten Tagesablauf. An Wochenenden, an denen ich keine Seminare gebe, unternehme ich etwas mit meiner Familie, lese sehr viel Fachliteratur und recherchiere im Internet Themen, die mich interessieren. Ich sorge dafür, dass es dann in meinen Abläufen keine Störung gibt. Sollte es dennoch zu einer solchen kommen, dann versuche ich diese in irgendeiner Form zu utilisieren, anstatt mich darüber zu ärgern. Die Störung wird dann als Möglichkeit gesehen, einen Break in der Routine zu machen und als Element zu nutzen. Ich kämpfe inzwischen immer weniger gegen solcherart unvermeidbare, spontan auftretende Störungen. Eine lösungsleitende Frage bei unvermeidbaren Störungen wäre, was kann mir die Störung sagen, was kann gerade durch diese möglich sein. Das ist mein Umgang damit, den ich übe. Ich mache in der Woche einen Tag frei. Denn die "Hauptkampfzeit" eines Coachs und Kommunikationstrainers ist sehr oft das Wochenende. Kunstprojekte plane ich weit im Voraus und schaufele mir dafür die erforderliche Zeit frei.
Musstest Du Dich früher vor Deinem Umfeld rechtfertigen für Deine künstlerische Arbeit?
Es war eher das Gegenteil. Ich bin bei einer Stiefmutter aufgewachsen, zu der ich schon mit 15 Monaten kam, da sie zunächst meine Pflegemutter war, da meine leiblichen Eltern geschäftlich permanent unterwegs waren. Mein Vater hat sie dann geheiratet als ich sieben Jahre alt war. Meine Stiefmutter konnte keine eigenen Kinder bekommen. Ich war für Sie also von vorneherein ein besonderes Projekt. Meine Funktion bestand also darin von Anfang an etwas Besonderes verkörpern zu müssen. Ich war aber nur etwas Besonderes, wenn ich etwas Besonderes leistete, das dann von ihr unangemessen übertrieben goutiert wurde. Sie hat mich unbewusst massiv in eine akademisch- intellektuelle Richtung getrieben und prophezeit, ich würde eines schönen Tages Bücher schreiben - daher rührten dann auch meinen unbewussten Schreiblocken, die nichts anderes als unbewusste Sabotagen ihre Delegierungen waren. Sie selber war intellektuell sehr ambitioniert, ihr war aber durch den Krieg ein Studium verwehrt, sie hatte zudem schon mit zwölf Jahren ihren Vater verloren. Dazu war virulent, das die Mutter meiner Stiefmutter eine verhinderte Malerin war, die keine Kunst studieren durfte; und sie bestärkte mich darin, den Weg als Künstlers einzuschlagen. Ich bin also angetreten mit dem Druck etwas Besonderes sein zu müssen, um eine Existenzberechtigung zu haben. Ich wurde also erst einmal ein ganz braver und folgsamer Junge, der einerseits getrieben war von Verlustangst, andererseits von einer äußerst selbstbezogenen und zutiefst frustrierten Stiefmutter. Später wurde ich dann sehr unartig, wurde Rebell und ging ganz in der Rolle des „Agent Provokateur“ auf. Und je mehr ich rebellierte, desto mehr Widerstand und Ablehnung widerfuhr mir, und desto wohler fühlte ich mich dabei. Mit Ablehnung konnte ich sehr gut umgehen, es bestärkte noch meine Rebellion, die ich als Form der Selbstbestimmung erlebte. Ganz im Geheimen hatte ich mir allerdings immer nur gewünscht, angenommen zu werden und einfach normal sein zu dürfen. Und dann war es eines Tages eine der schlimmsten Erfahrungen für mich angenommen zu werden um meiner selbst willen ohne dafür irgendeiner Erwartung entsprechen zu müssen. Diese Selbsterfahrung ereilte mich in meinem ersten NLP Seminar und haute mich aus den Schuhen, ich habe geraume Zeit gebraucht, um das erst einmal zu verstehen, was da in mir alles passiert war und sich in meinem tiefsten Inneren etwas neu auszurichten begann. Mein Selbstverständnis veränderte sich ganz langsam tiefgreifend und nachhaltig. Obwohl es ja genau das war, was ich mir zutiefst gewünscht hatte, so angenommen zu werden, wie ich bin, hat mich die Erfahrung einer vorbehaltlosen Annahme zutiefst erschüttert und ich konnte damit nicht umgehen. Das hat seine Zeit gebraucht. Und dann formulierte ich für mich einen ganz neuen, "unerhörten" Leitsatz. „Ich darf normal sein und muss nichts Besonders sein“. Es wurde aber dann noch ein sehr langer steiniger Weg, ich selbst zu werden und auf meine ureigenste Weise „normal“ zu werden und dabei angenommen zu werden, so wie ich bin. Und der schwerste, wichtigste und mutigste Schritt dabei war, meine eigene innere Selbstannahme. Hysterische Inszenierungen meiner Eltern, das war Teil meiner Kindheit. Wenn mein Vater und meine Mutter unterwegs waren, das war immer faszinierend, sensationell, alles war durchtränkt von einer narzisstisch orientierten histrionisch-hysterischen Spannung, die auf diverse Menschen zunächst einen unwiderstehlich unterhaltsamen Sog ausübte, dabei aber sehr anstrengend war, sich schnell verbrauchte und einen leer hinterließ. Das hatte sicherlich auch einen gewissen Einfluss auf meine spätere Affinität zu Performances, in denen ich auch diese Erfahrungen meiner Sozialisation verarbeitet habe. Ich wusste eben schon sehr früh mit welchen Mitteln die oben beschriebenen Spannungen erzeugt werden, das habe ich dann einfach in meinen Performances utilisieren können. Abgesehen von einer künstlerischen Bewältigung meiner „Familiendramen“ ist die „Familien Aufstellungsarbeit“ eine sehr hilfreiche Möglichkeit, seine familiären Verstrickungen und Rollenmuster zu begreifen und zu überwinden. Innere Befreiung wird möglich, durch heilende und lösende Rituale. Ich habe eine mehrjährige Ausbildung in Familien- Organisations- und systemischer Strukturaufstellungs-Arbeit absolviert, die für meine eigene Entwicklung noch einmal einen Quantensprung bewirkt hat. Als Coach setze ich Aufstellungen inzwischen auch bei meinen Klienten ein. Ein anderer sehr wirksamer Einflussfaktor ist sicherlich der Buddhismus, der mir leibhaftig verkörpert begegnete als ich im Oktober 2007 in Wuppertal einen Vortag des Dänen Lama Ole Nydahl besuchte. Und in Folge dieser Begegnung setzte ich mich intensiv mit den Lehren Buddhas auseinander und begann zu meditieren. Der Buddhismus kennt eine Form negativer Anhaftung. Wer beispielsweise gutes Essen, Porsche fahren, schöne Dinge und sinnliche Genüsse oder auch viel Geld verdienen etc. ablehnt, ist negativ verhaftet, er wendet Energie für die Abwehr auf und ist gleichermaßen verhaftet und genauso unfrei wie all jene, die sich mit Sinnesfreuden und Erfolgen identifizieren und sich darüber als Mensch definieren. Jenseits beider Varianten von Anhaftung eröffnet sich uns ein Raum voller Freiheit, in dem wir angstfrei, voller Freude und zum Wohle aller Wesen unsere Potenziale zu verwirklichen vermögen. Und eben darin sehe ich meine tägliche Übung, was auch immer ich unternehme in meinen unterschiedlichen Handlungsfeldern. #
Robert Reschkowski:
Zum Schluss meines Interviews möchte ich die Gelegenheit nutzen, über ein Kunst-Projekt zu berichten, welches mich sehr berührt:
Ganz im Sinne davon angstfrei, voller Freude und zum Wohle aller Wesen zu agieren bewegt mich das Wirken von jemanden, dem es gelang durch Kunst und mit Kunst schwere Schicksalskrisen zu bewältigen und seinen Mitmenschen gleich einem Leuchtturm der Zuversicht heiter und gelöst, einen Weg zu weisen.
Es ist mir eine Freude gerade an dieser Stelle auf ein Projekt hinzuweisen, das ich durchaus als eine Form und exzellentes Beispiel einer „Sozialen Plastik“ erachte, über die ich gesprochen habe. Es handelt sich um das gemeinnützige Projekt „Kunst am Zaun“ maßgeblich initiert und sowohl professionell als auch inspirierend gemanagt von Petra Poth. Petra hat bereits mehrer Bücher publiziert zum Thema des kunsttherapeutischen Ansatzes „Neurographik“.
Die Neurographik wurde von dem Petersburger Architekten, Künstler, Business-Trainer Dr. Pavel Piskarev entwickelt und wird seit April 2014 vor allem in Russland gelehrt. Sie basiert auf Erkenntnissen der Neuropsycholgoie, analytischen Psychologie, Gestaltpsychologie, Sozialpsychologie und modernen Management-Theorien. Sie ist eine kreative Transformationsmethode für das Lösen von Problemen und Konflikten.
Zu den Publikationen lädt Petra Poth Praktiker und Therapeuten der „Neurographik ein, die jeweils über ihre Erfahrungen und den eigenen Ansatz schreiben und diesen mit ihren bewegenden Bildbeispielen belegen.
Ich weiß, dass gerade die heilende Funktion und der kunsttherapeutische Nutzen einer ästhetisch-künstlerischen Bildnerei von den sogenannten “Profi“-Künstler*Innen” nur allzuoft ignoriert und auch desavouiert wird, da so etwas in ihren Augen mit „der wirklichen Kunst“ aber auch gar nichts zu tun hätte. Und eben solches Kunstverständnis entspricht einer „L“art pour L‘art“ über den Beuys funktional orientierte Kunstbegriff weit hinausgreift.
Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass sich „Kunst“, oder besser gesagt, „das künstlerisch-schöpferische Tun des Menschen ursprünglich aus einem rituell- schamanischen Kontext entwickelte, „Kunst“ diente sowohl für die Beschwörung und Bannung Angst machender Naturkräfte als auch der Heilung. Und eben auch dieser heilenden Funktion von Kunst bedürfen die Menschen gerade in der existenziell- und lebensbedrohlichen, globalen „Corona-Krise“!
Andererseits hat Petra jetzt den zweiten Band „Kunst mein Lebenselixier“. veröffentlicht.
Ich hatte das Vergnügen mit einer ganzen Reihe von Künstlern, die über ihren Weg zur Kunst, ihre künstlerischen Arbeiten und ihre künstlerischen Anliegen schreiben auch etwas beizutragen. In beiden Bänden habe ich kritische Anmerkungen und Reflexionen zur Kunst beigesteuert. Der Herausgeberin Petra Poth liegt es am Herzen sowohl der Vielfalt künstlerischen Schaffens Raum zu geben als auch die Heilkraft des Schöpferischen Tuns in Bild und Wort den Menschen näher zu bringen.
Die Erlöse der Buchverkäufe kommen sozialen Projekten zu Gute.
Link zu Petra Poths Projekt // "Kunst am Zaun"
Zur Person
Robert Reschkowski
Performance – Installation - Malerei
geb. 1951 in Düsseldorf - lebt und arbeitet heute als Künstler und Coach in Düsseldorf .
Der erste Band der dreibändigen Autobiographie
„Solo auf Messers Schneide“ ist am 25. August 2020 erschienen.
1. Band 1951-78 Kindheit. Jugend. Kunststudium.